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Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels

Titel: Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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gingen zusammen hinaus in den stillen Garten. Sternenlicht schimmerte schwach auf den Steinen rund um den Teich, wo sich bereits Eis bildete. Er wollte die Wachtposten rufen, damit sie das Tor öffneten, doch sie kam ihm zuvor. Sie bedeutete ihm zu schweigen, sprang in die Luft und verschwand auf den Ziegeln des Mauerdachs.
    Shigeru schrieb fast die ganze Nacht an Naomi, berichtete ihr, was er von Muto Shizuka erfahren hatte, versicherte ihr sein Mitgefühl für das Schicksal ihrer Tochter und seine tiefe Liebe zu ihr. Er bereitete sie darauf vor, dass es möglicherweise Jahre dauerte, bis er ihr wieder schreiben konnte, und bat sie, ihm keinesfalls zu schreiben. Er schloss mit dem Echo von Shizukas Worten: Verzweifle nicht. Wir müssen geduldig sein.
    Eine Woche später setzte zu Shigerus Erleichterung starker Schneefall ein, er hatte befürchtet, dass Iida nach dem Attentatsversuch fordern werde, Takeshi solle nach Inuyama kommen. Jetzt war das mindestens bis zum Frühjahr aufgeschoben. Dass der Schnee die Straßen auch für Boten unzugänglich machte, kümmerte ihn nicht, denn er wusste, dass er von Naomi nichts mehr hören würde.
    Im vierten Monat des folgenden Jahres kam die Nachricht von Mori Yusukes Tod auf dem Festland. Sie wurde von einem Schiffskapitän übermittelt, der auch Yusukes letztes Geschenk für Shigeru brachte: einen Hengst ausden Steppen des Ostens. Der Hengst war bei der Ankunft abgemagert, lustlos und erschöpft von der Reise, doch Shigeru und Takeshi erkannten beide etwas in ihm. Takeshi sorgte dafür, dass er gut gefüttert wurde, und als er etwas von seiner Energie wiedergefunden hatte, ließ er ihn auf den Feuchtwiesen mit den Stuten grasen. Er war zwar mager, aber gut gebaut, größer und mit längeren Beinen als die Otoripferde, mit dichtem Schwanz und langer Mähne, sobald die Haare entwirrt waren. Der alte Hengst war im vergangenen Winter gestorben und der neue übernahm rasch die Stuten als seine Herde, neckte sie, kommandierte sie herum und zeugte mit allen Fohlen. Shigeru vertraute die Pferdepflege Takeshi an. Der einzige überlebende Sohn der Familie des Pferdezüchters, Hiroki, war mit seinen Pflichten im Schrein beschäftigt, doch er sprach oft mit Takeshi über Pferde, denn wie es seiner Familie entsprach, interessierte er sich immer noch für sie und Takeshi und er waren gleich alt. Inzwischen waren zehn Jahre vergangen seit dem Steinkampf, bei dem Hirokis älterer Bruder Yuta ums Leben gekommen war, zehn Jahre, seit Hiroki dem Schrein des Flussgottes geweiht worden war.
    Als die Fohlen im folgenden Frühling geboren wurden, versprach eins von ihnen, zur hellgrauen Art mit der schwarzen Mähne zu gehören, die von den Otori so geschätzt wurde. Takeshi nannte es Raku. Ein anderes war ein Rappe, der Shigerus Hengsten Karasu und Kyu sehr glich. Das dritte, ein nicht so hübscher stumpffarbiger Fuchs, erwies sich als das intelligenteste und lenkbarste Pferd, das Takeshi je gekannt hatte.

KAPITEL 43 

    Isamus Witwe war im sechsten Monat schwanger, als die Leiche ihres Mannes gefunden wurde. Den ganzen Winter hatte sie gehofft, er werde im Frühling so plötzlich wiederkommen, wie er es zuvor getan hatte. Nur die Tatsache, dass er offenbar unbewaffnet ermordet worden war, machte ihre Enttäuschung und Trauer erträglich. Er hatte sein vergangenes Leben aufrichtig bereut, sein Übertritt zu ihrem Glauben war nicht geheuchelt gewesen. Er hatte nicht gesündigt, sie würden einander im Himmel in Gegenwart des Geheimen wiederbegegnen, wie es die alten Lehren versprachen.
    Sie heiratete den ältesten Freund ihres Bruders, Shimon, mit dem sie aufgewachsen war und dessen Hoffnungen damals durch die Ankunft des Fremden zerstört worden waren. Er wurde zum Vater für den Jungen, der im siebten Monat geboren wurde und dem sie einen bei den Verborgenen häufigen Namen gaben: Tomasu.
    Das Kind war im Bauch ungewöhnlich lebhaft gewesen und verhielt sich so auch nach seiner Geburt. Tomasu schlief selten, konnte mit neun Monaten gehen und schien es von da an darauf anzulegen, in den Wald zu laufen. Zuerst sah es so aus, als wäre es sein Schicksal, durch einen Unfall zu sterben, im überfluteten Fluss zu ertrinken, vom Wipfel einer Kiefer zu stürzen oder sicheinfach auf dem Berg zu verirren. Sein Stiefvater prophezeite ihm alle diese Tode und versuchte zugleich, ihn mit Schimpfen,

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