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Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels

Titel: Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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meine Geheimnisse bewahren!«
    Â»Er hat sie vor jedem außer mir bewahrt. Zum Glück hat er mir davon erzählt, denn ich konnte Sie beide schützen. Und ich habe nichts ausgeplaudert. Sagen Sie nichts und tun Sie nichts seinetwegen. Er kann mich über Ihren Aufenthaltsort und Ihre Sicherheit informieren. Wenn Sie mich je erreichen müssen, können Sie es durch ihn tun.«
    Naomi bemühte sich, ihr Erstaunen und ihren Zorn zu verbergen. Shizuka hatte ihr das alles ganz ruhig enthüllt und lächelte jetzt. Naomi versuchte sich ihrer Haltung anzupassen und sagte: »Von Lord Otori weiß ich, dass du ihm Treue geschworen hattest. Hofft er, den Stamm irgendwie zu nutzen? Gegen Iida, meine ich?« Und dann sagte sie: »Könntest du …?«
    Sie unterbrach sich, diesen Gedanken konnte sie nicht laut aussprechen, sie fürchtete, dass sie selbst in dieser sonnigen Landschaft, durch die sie anscheinend allein ritten, von Spionen umgeben waren.
    Â»Lord Otori wartet auf den richtigen Moment«, murmelte Shizuka so leise, dass Naomi sie kaum hören konnte. »Und dann wird er handeln.«
    Shizukas Gesellschaft hob Naomis Stimmung und gab ihr Hoffnung und ihre vergnügte Laune hielt auch noch an, nachdem sie sich in Yamagata getrennt hatten. Shizuka sagte, sie gehe zum Haus ihres Onkels, und Naomi verbrachte die Nacht in einem Gasthof, bevor sie am nächsten Tag mit Sachie, zwei Wachtposten und Bunta zum Tempel reiste. Die Männer blieben mit den Pferden in der Herberge am Fuß des Tempels, Naomi und Sachie stiegen allein den steilen Pfad hinauf.
    Sie waren früh am Morgen aufgebrochen. Tau säumte die Spitzen des Bambusgrases und verwandelte Spinnweben in Schmuckstücke. Wie immer spürte Naomi, wie der geistige Frieden des Tempels sie anzog, und während sie und Sachie schweigend wanderten, legte sich das vertraute Gefühl der Ehrfurcht über sie. Den Kopf hatte sie mit einem breiten Schal bedeckt, ihre einfache Kleidung war die einer gewöhnlichen Pilgerin. Sie hatte keine Boten vorausgeschickt, ihre Ankunft wurde nicht erwartet.
    Im Haupthof und um das Gästehaus der Frauen war die Kirschblüte bereits über den Höhepunkt hinaus, die rosa und weißen Blütenblätter lagen in einer dicken Schicht auf dem Boden. Purpurrote Azaleen und Pfingstrosen, weiß mit roten Spitzen, fingen gerade an zu blühen.
    Naomi ging in die Gärten und saß lange am Teich, wo sie beobachtete, wie die roten und goldenen Karpfen unter der Wasseroberfläche umherschwammen. Sie hatte schon angefangen zu glauben, dass sie tatsächlich eine einfache Pilgerin wäre, von allen Sorgen und Ängsten ihres Lebens befreit, als ihre Träumerei durch die Ankunft des Abtes Matsuda Shingen unterbrochen wurde.
    Rasch kam er auf sie zu.
    Â»Lady Maruyama! Ich hatte keine Ahnung, dass Sie hier sind. Verzeihen Sie mir, dass ich Sie nicht schon früher begrüßt habe.«
    Â»Lord Abt.« Sie verneigte sich bis zum Boden.
    Â»Das ist unerwartet – aber natürlich sind wir durch Ihre Anwesenheit immer geehrt …«
    Er schien den Satz mit einer unausgesprochenen Frage zu beenden. Als sie nicht antwortete, sagte er sehr leise: »Lord Shigeru ist hier.«
    Das Blut strömte durch ihren Körper, als wollte es herausbrechen. Sie spürte, dass sich ihre Augen weiteten wie die einer Wahnsinnigen, und kämpfte um ihre Beherrschung.
    Â»Das habe ich nicht gewusst«, sagte sie ruhig. »Ich hoffe, Lord Shigeru erfreut sich guter Gesundheit.« Das war alles, was sie zustande brachte. Ich hätte nicht kommen sollen, seine Anwesenheit muss mich hergezogen haben.Ich muss sofort gehen. Wenn ich ihn nicht sehe, werde ich sterben.
    Â»Er hat sich in die Berge zurückgezogen«, antwortete Matsuda. »Er kommt von Zeit zu Zeit hierher – allerdings haben wir ihn seit vielen Monaten nicht gesehen. Ich dachte, vielleicht wurde eine Abmachung getroffen – wie beim letzten Mal.«
    Â»Nein«, sagte sie schnell. »Es ist ein Zufall.«
    Â»Dann muss ich Lord Shigeru keine Nachricht schicken?«
    Â»Gewiss nicht. Ich darf seine Meditation nicht stören – und in jedem Fall ist es besser, dass wir uns nicht treffen.«
    Er schien sie fragend anzuschauen, beharrte aber nicht auf dem Thema.
    Sie redeten von anderen Dingen, von der Lage in Maruyama, Naomis Tochter, von dem schönen Frühlingswetter. Dann

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