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Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels

Titel: Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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keine Verwendung für Enkelkinder, dachte sie. Er wird nicht wie andere Geister sein. Er wird für immer bei seiner Brücke bleiben – viele werden ihm Opfer und Geschenke bringen, fast als wäre er selbst ein Gott.
    Da stand sie auf und trug Wein und Blumen zu dem Platz vor dem Stein. Es hatte geregnet und der Himmel war bewölkt, die Brücke, die Straßen, die Flussoberfläche waren so grau wie die Steine.
    Wie sie erwartet hatte, lagen andere Opfergaben da. Ihr Vater hatte jetzt Anbeter und er würde immer welche haben. Er brauchte keine Enkelkinder. Sie betete zu seinem Geist und sagte ihm, was aus ihr werden würde. Es schien nun ein gewisses Gleichgewicht zu herrschen: Auch sie würde eine Opfergabe sein – für den Flussgott, für die Otori –, obwohl sie ihr Opfer nicht für unangenehm hielt.
    Wochen vergingen ohne ein weiteres Wort vom Pferdezüchter oder aus dem Schloss. Akane war enttäuscht.
    Â»Sie haben es sich anders überlegt«, sagte sie zu Haruna, die sie regelmäßig besuchte, um sie bei Laune zu halten und ihrer Mutter Geld zu bringen.
    Â»Es braucht Zeit, diese Dinge zu arrangieren«, erklärte Haruna. »Du musst Geduld haben.«
    Â»Ich bin überredet worden, einen guten Mann für einen leeren Traum aufzugeben. Du nimmst mich besser mit zurück!«
    Â»Warte noch«, flüsterte Haruna.
    Aber Akane verlor allmählich die Geduld und ärgerte sich noch mehr, als eines Morgens, an dem sie bei Tagesanbruch aufgestanden und zur Brücke gegangen war, um ihrem Vater Essen und Getränke zu bringen, ein Trupp Reiter auf sie zukam. Sie erkannte Mori Kiyoshige auf dem Grauen mit schwarzer Mähne und schwarzem Schwanz, Irie Masahide, den Lehrmeister im Schwertkampf, und Lord Shigeru neben einer großen Anzahl Gefolgsleute. Sie und die anderen in der Menge auf der Brücke sanken auf die Knie und horchten mit gesenkten Köpfen auf das Getrappel der Pferdehufe auf den Steinen, bis die Reiter vorbei waren.
    Â»Lord Shigeru verlässt die Stadt?«, fragte sie den Mann neben sich, als sie beide aufstanden.
    Â»Sieht so aus. Ich hoffe, er setzt sich mit den Tohan auseinander. Es ist an der Zeit, dass ihnen jemand eine Lektion erteilt.«
    Sie werden den ganzen Sommer fort sein , dachte sie. Wird von mir erwartet, dass ich nichts tue, bis die Taifune kommen und sie nach Hause treiben?
    Sie sah den Reitern nach, als sie von der Brücke und am Flussufer entlangtrabten. Der junge Mann auf dem Rappen wandte den Kopf und schaute zurück. Er war zu weit entfernt, als dass sie beurteilen konnte, ob er nach ihr schaute, doch sie spürte, dass er sie am Grab ihres Vaters gesehen hatte. Sie starrte dem Trupp nach, bis er verschwunden war. Dann seufzte sie. Ich kann geradeso gut warten, dachte sie.

KAPITEL 16 

    Shigeru hatte seine Gedanken ein- oder zweimal zur Tochter des Steinmetzen wandern lassen, doch er wusste nichts von Kiyoshiges Verhandlungen und hatte kaum Zeit, seine eigenen Absichten in diese Richtung zu verfolgen, denn kurz nach der Einmauerung kamen Boten aus Chigawa, einer kleinen Stadt an der Hauptstraße zwischen Yamagata und der Küste, direkt an der Ostgrenze des Mittleren Landes. Sie berichteten, dass die Tohan eine Art Feldzug gegen die eigene Landbevölkerung führten, um eine obskure Sekte auszurotten, deren Angehörige als die Verborgenen bekannt waren. Shigeru erinnerte sich, dass Nagai über ebendiese Sekte in Yamagata gesprochen hatte. Die Verborgenen flohen über die Grenze ins Mittlere Land. Tohankrieger verfolgten, folterten und töteten sie, genauso gingen sie mit Otoribauern um, von denen sie vermuteten, dass sie Verfolgte aufgenommen hatten. Das erzürnte Shigeru, als er davon hörte. Die Tohan durften innerhalb ihrer eigenen Grenzen tun, was sie wollten, und die Sekte war Shigeru gleichgültig – es gab viele religiöse Bewegungen, die plötzlich entstanden und wieder verschwanden, die meisten von ihnen schienen harmlos zu sein und stellten keine Bedrohung für die Gesellschaftsordnung dar. Aber wenn die Tohan glaubten, sie könnten in den Gebietender Otori kommen und gehen, wie es ihnen passte, würden sie früher oder später kommen und bleiben. Was dem Ganzen noch mehr Dringlichkeit verlieh, war, dass alle Grenzüberschreitungen sich rund um Chigawa ereigneten, eine Region mit reichem Silber- und Kupfervorkommen. Eine so aggressive

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