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Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels

Titel: Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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Energie durch Beine und Schenkel spüren. Es war ein junges Geschöpf, genau wie er. Sie ritten zusammen aus. Er würde keinen weiteren endlosen Tag mit Debatten, Argumenten, Halbwahrheiten und Ausflüchten durchstehen müssen.
    Angeblich bewegte er bloß die Pferde zusammen mit Kiyoshige, Irie und etwa dreißig seiner eigenen Männer – aber er hatte nicht die Absicht, nach Hagi zurückzukehren, bevor die Sitzung des Tages begann. Er beabsichtigte überhaupt nicht zurückzukehren, bevor es ihm gelungen war, die Situation an der Grenze einzuschätzen und sich wenn nötig mit den Tohan auseinanderzusetzen.
    Das Licht unter den Wolken wurde gelb, während die Sonne weiter stieg und sie glänzen ließ wie frisch polierten Stahl. Die Reiter folgten der Straße entlang des Flussufers. Wie die meisten Straßen in der Stadt war sie nicht gepflastert und die Pferdehufe ließen das Wasser in den Pfützen aufspritzen.
    Shigeru drehte sich um und schaute zur Brücke zurück. Die tiefen Sonnenstrahlen verwandelten das Wasser in Silber. Er hatte bemerkt, wie die Frau – Akane; von diesem Moment an dachte er an sie als Akane – mit gesenktem Kopf am Grab kniete, als er vorbeiritt, und er hatte plötzlich erkannt, dass eine Bindung zwischen ihnen bestand. Jetzt überraschte es ihn nicht, dass sie ihm nachschaute mit einem Blick, als spähe sie hinaus aufs Meer und versuche zu erkennen, ob sich ein großes Schiff dem Hafen näherte oder ihn verließ.
    Er zügelte leicht sein Pferd, damit er und Kiyoshige nebeneinanderritten.
    Â»Wenn wir zurückkommen, würde ich sie gern sehen.«
    Â»Wen?«, fragte Kiyoshige herausfordernd.
    Â»Die Tochter des Steinmetzen, Akane.«
    Â»Akane?«, wiederholte der Jüngere. »Ich dachte, du bist nicht interessiert.«
    Â»Vielleicht bin ich interessiert«, gab Shigeru zurück. Es war anscheinend ein Tag der Entscheidungen.Er würde seinen eigenen Krieg und seine eigene Konkubine wählen.
    Â»Es ist schon arrangiert worden«, sagte Kiyoshige leise und lehnte sich im Sattel leicht zur Seite, damit nur Shigeru ihn hören konnte. »Sie wartet darauf, dass du sie kommen lässt.«
    Shigeru lächelte, Freude, Überraschung und Belustigung über die Hinterhältigkeit seines Freundes zeigte sich darin. Kiyoshige lachte. Es war nicht nötig, so etwas auszusprechen. Sie verstanden einander.
    Genauso wenig hatte Shigeru am Vortag Kiyoshige seinen Plan erklären müssen. Sein Freund hatte seine Absichten sofort begriffen. Irie war gebeten worden zu kommen und mit den jungen Männern im Garten zu sprechen. Shigeru hatte das Gefühl, wenigstens einer seiner Lehrer müsse seinem Vorhaben zustimmen. Und Irie, der mit ihm nach Yamagata gereist und dorthin zurückgekehrt war, um ihn im darauffolgenden Frühling wieder zu treffen, vertraute er am meisten, weil ihm bei den gemeinsamen Sitzungen nicht entgangen war, dass der Mann seine Loyalität auf ihn übertragen hatte. Sie hatten nicht diskutiert, Shigeru hatte keinen Rat gesucht. Er hatte sich entschieden, hatte Irie von seinen Plänen erzählt und den Älteren gebeten – oder, was mehr der Wahrheit entsprach, ihm befohlen –, ihn zu begleiten.
    Der alte Krieger hatte ausdruckslos gehorcht, aber er hatte sie früh, vor der festgesetzten Zeit, getroffen und Shigeru spürte, dass seine Bereitschaft so groß wie ihre eigene war. Irie war ebenso empört gewesen wie Shigeru, als sie die Doppelzüngigkeit von Lord Kitano undseine Annäherungen an die Familie Iida entdeckt hatten, und die Tohan-Version von Miuras Tod hatte ihn am meisten gekränkt.
    Den Männern, die sie begleiteten – jeweils zehn von ihren persönlichen Gefolgsleuten –, hatten sie nichts von ihrem Vorhaben mitgeteilt. Kiyoshige erwähnte beiläufig, sie müssten die Pferde ausprobieren, und seine Männer ritten die jüngsten, am wenigsten erfahrenen Fohlen, damit das einigermaßen ehrlich klang. Aber wie der Mann, der auf der Brücke mit Akane gesprochen hatte, hofften alle Otorimänner auf eine Möglichkeit, gegen die arroganten, unausstehlichen Tohan zu ziehen und ihnen eine Lektion zu erteilen.
    Der letzte Schnee war geschmolzen und alle Bergpässe waren offen. Zuerst folgten sie der Küstenstraße nach Matsue. Nach drei Tagen wandten sie sich nach Osten, ritten steile Bergpfade

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