Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels
Wort«, erwiderte er. »Ich bitte Sie nur, mich auf dem Laufenden zu halten.«
Akane überlegte rasch. Es war so viel weniger, als sie gefürchtet hatte. Sie würde Shigerus Geheimnisse nie verraten, aber sie konnte leicht etwas erfinden, genug, um Masahiro zufriedenzustellen.
»Und dafür werden Sie das Leben der Jungen verschonen und der Familie erlauben, in ihrem Haus zu bleiben?«
»Es wäre sehr gnädig von mir, nicht wahr? Vielleicht komme ich auch in den Ruf, mitleidig zu sein, und werde so beliebt wie Shigeru.«
»Lord Masahiro ist tatsächlich mitleidig«, sagte sie. »Ich werde dafür sorgen, dass es weithin bekannt wird.«
Sie spürte Hayatos Hand in ihrem Nacken, ein leichter Druck, fast eine Zärtlichkeit. Dann war er fort.
Leb wohl, sagte sie in ihrem Herzen. Hab jetzt Frieden. Sie betete, dass er Frieden finden möge und eine glückliche Wiedergeburt und dass er nicht zurückkommen werde, um sie zu verfolgen.
Nachdem Masahiro gegangen war, versuchte Akanesich zu sagen, dass sie mit dem Ergebnis der Begegnung nicht unzufrieden sein dürfe. Haruna würde überglücklich sein und sie sehr wahrscheinlich mit Geschenken überhäufen. Sie hatte ihre Verpflichtungen gegenüber dem Toten erfüllt und sie war sicher, die Ãbereinkunft würde sie nicht wirklich zwingen, Shigeru zu betrügen. Sie hielt nicht viel von Masahiro und vertraute in ihre Fähigkeit, ihn mit Schnipseln unwichtiger Informationen zu versorgen. Doch als die Tage vergingen und sie Zeit hatte, alles zu bedenken, wurde sie immer unglücklicher über das, was sie getan hatte, fast als sei ihr unbewusst klar, dass sie den ersten Schritt auf einem Weg gegangen war, der sie einem korrupten und grausamen Mann ausliefern werde.
Ihre gröÃte Sorge war, verzerrte Berichte über Hayatos Tod und ihren Einsatz zugunsten seiner Familie könnten Shigeru erreichen und ihn erzürnen. Shigerus Abwesenheit und Masahiros Besuch erzeugten in ihr ein Gefühl der Unsicherheit. Ihre Rolle als Konkubine des Clanerben bereitete ihr viel Vergnügen, sie konnte den Gedanken nicht ertragen, sie aufgeben zu müssen. Und abgesehen von dieser Schande überkam sie eine Angst, die ihr fremd gewesen war â dass Shigeru weniger von ihr halten, dass sie ihn enttäuschen und dass er sich von ihr abwenden würde.
Shigeru wird immer nur eine Frau lieben, die auch seinen Respekt gewinnt, das war ihr klar. Er wird keinen Charakterfehler, keine Untreue übersehen oder verzeihen. Der Gedanke, Masahiro könnte ihn irgendwie über ihre Abmachung informieren, brachte sie völlig durcheinander. Nichts konnte ihr dieses Unbehagen nehmen. Sie schriebmehrere Briefe und verbrannte sie, weil sie ihren Ton verlogen unschuldig fand und glaubte, ihre Andeutungen und Verheimlichungen, ihre Ausschmückung der Wahrheit seien aufdringlich, Shigeru würde sie leicht durchschauen.
Ihr Haus, die erlesenen Gegenstände, der Garten, die Kiefern, das Meer â das alles konnte sie nicht mehr bezaubern. Sie hatte keinen Appetit mehr. Bald schlief sie schlecht und war aufbrausend gegenüber den Dienerinnen. Der Anblick des Mondes auf dem Wasser, des Taus an den ersten Chrysanthemenknospen und auf den Spinnennetzen rührte sie zuerst zu Tränen und nährte dann ihre Verzweiflung. Sie sehnte sich nach Shigerus Heimkehr aus dem Osten, doch zugleich fürchtete sie seine Ankunft. Sie wünschte den Winter herbei, der ihn in Hagi halten würde, und hatte gleichzeitig Angst vor dem, was sein Onkel ihm aus Bosheit mitteilen könnte, und vor dem, was sie wiederum Masahiro berichten müsste.
KAPITEL 21Â
Der erste Taifun des Spätsommers stürmte von Südwesten die Küste hinauf, doch obwohl er starken Regen brachte, war seine Kraft abgeflaut, als er Hagi erreichte. Die östlichen Teile des Mittleren Landes hatte er kaum berührt und Shigeru beeilte sich nicht mit der Heimkehr. Sicher vermisste er Akane von Zeit zu Zeit, aber er hatte keine Lust, zu den Intrigen im Schloss zurückzukommen oder sich der unangenehmen Situation mit seiner Frau wieder zu stellen. Das Leben eines Kriegers hatte eine Einfachheit, die aufrichtig und erfrischend war. Er wurde von allen mit ungeteiltem Respekt und mit Dankbarkeit behandelt, das fand er schmeichelhaft und es gab ihm zunehmend Vertrauen in sich und seine Rolle als Clanführer. Niemand stritt mit ihm, jeder
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