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Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels

Titel: Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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reden.
    Â»Kiyoshige, geh und schau nach, ob dieser Mann noch da ist. Du musst dich an ihn erinnern. Nesutoro, den wir im vergangenen Jahr gerettet haben.«
    Kiyoshige kam zurück mit der Nachricht, der Mann sei verschwunden. Der Gastwirt wusste nicht, wie er zu finden wäre, und in den Straßen rundum war nichts von ihm zu sehen.
    Â»Ihr hättet freundlicher zu ihm sein sollen«, sagte Shigeru zu seinem Bruder. »Er ist ein tapferer Mann, der viel gelitten hat.«
    Â»Er ist einfach irgendein Bauer, der betrunken ins Feuer gefallen ist.«
    Â»Nein, er wurde von den Tohan gefoltert«, entgegnete Shigeru. »Er ist einer der Gründe, warum wir im vergangenen Jahr gegen sie gekämpft haben.«
    Â»Einer von der sonderbaren Sekte? Warum werden sie von allen so gehasst?«
    Â»Vielleicht, weil sie so anders erscheinen.«
    Â»Sie glauben, dass alle gleich geboren werden – in den Augen des Himmels«, sagte Kiyoshige. »Und sie behaupten, ihr Gott werde über alle nach ihrem Tod zu Gericht sitzen. Sie wissen nicht, wo sie hingehören, und sie vermitteln allen anderen Schuldgefühle.«
    Â»Sie könnten die Gesellschaft sehr aus dem Gleichgewicht bringen«, fügte Irie hinzu.
    Â»Und mein älterer Bruder beschützt sie«, sagte Takeshi. »Warum?«
    Â»Die Tohan waren in Otorigebiet eingedrungen«, antwortete Shigeru. Das war der Grund, den er immer angab; doch es war nicht der einzige, das wusste er, wenn er ehrlich zu sich war. Die Szene am Schrein würde er nie vergessen, die Grausamkeit, der Mut, das Leid, alles Bestandteile des schrecklichen Stoffes, aus dem der Mensch gemacht war. Was die Verborgenen glaubten, wirkte fremdartig und unwahrscheinlich, doch das Gleiche galt für den Aberglauben seines Vaters. Konnte irgendwer die Wahrheit des Lebens begreifen? Konnte irgendwer in den Herzen der Menschen lesen? Genau wie ein beschnittener Strauch kräftiger wuchs, wurde ein unterdrückter Glaube lebendiger. Es war besser, die Menschen glauben zu lassen, was sie wollten.
    Â»Ich habe noch nie gesehen, dass Kinder so gequält wurden«, fügte er hinzu. »Solche Grausamkeit finde ich ekelhaft.«
    Es war auch eine Art Stolz: Die Tohan mochten so unmenschlich handeln, aber die Otori nicht. Und ein Trotz: Wenn die Tohan die Verborgenen verfolgten, beschützten die Otori sie.
    Â»Hättest du mit ihm gesprochen?« Takeshi sah etwasverlegen aus. »Es tut mir leid, dass ich ihn weggeschickt habe.«
    Â»Wenn es wichtig ist, kommt er wahrscheinlich zurück«, sagte Shigeru.
    Â»Ich glaube nicht, nachdem wir ihn so behandelt haben. Ich hätte freundlicher zu ihm sein müssen.«
    Â»Wir können ihn durch seinen Schwager erreichen«, sagte Irie. »Den Dorfältesten.«
    Shigeru nickte. »Wenn wir das nächste Mal dorthin reiten, werden wir bestimmt mit ihm sprechen.«
    Shigeru dachte nicht mehr an die Sache, doch am nächsten Morgen wurde Kiyoshige vor die Herberge gerufen und kam zurück mit der Nachricht, dass die Schwester des Mannes auf der Straße warte.
    Â»Ich schicke sie weg«, schlug er vor. »Man kann nicht von dir erwarten, dass du jeden empfängst, der glaubt, irgendeinen Anspruch auf dich zu haben.«
    Â»Hat sie gesagt, was sie will?«
    Â»Nur, dass sie wegen ihres Bruders Nesutoro kommt.«
    Shigeru saß einige Momente schweigend da. Kiyoshige hatte Recht: Er sollte nicht allen und jedem frei zur Verfügung stehen. Wenn er eine Gruppe zu bevorzugen oder besonders zu beachten schien, würde das bei anderen nur zu Neid und Unzufriedenheit führen. Doch die Frau hatte ihn fasziniert und es hatte eine gewisse Verbindung zwischen ihm und dem Mann gegeben – auf beiden Seiten die Anerkennung der Menschlichkeit, die ihnen gemeinsam war, wie es auch Mut und Geduld waren.
    Â»Lass sie hereinkommen. Ich werde mit ihr reden.«
    Sie kam auf den Knien herein, das Gesicht dem Boden zugewandt. Als Shigeru sie aufforderte, sich zu setzen, gehorchte sie zögernd und hielt den Kopf gesenkt, die Augen niedergeschlagen. Er betrachtete sie und bemerkte, wie sie sich bemüht hatte, angemessen zu erscheinen: Das abgetragene Gewand war sauber, ihre Haut und ihr Haar ebenfalls. Er erinnerte sich an ihre kräftigen Gesichtszüge, die jetzt schärfer als zuvor wirkten, von Leid gezeichnet und verhärtet. Sie hatte eine Gefährtin mitgebracht, ein Mädchen von etwa

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