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Der Clan der Wildkatzen

Der Clan der Wildkatzen

Titel: Der Clan der Wildkatzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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bedrückte, seit sie die halb verfallene Steinmauer um das Verrammelte Haus überquert hatten. Die Geräusche von Nizamuddin, das Durcheinander von Stimmen und Motorlärm der Großfüße, das Gebell der Hunde und die ganze Geschäftigkeit ihres Viertels waren hier im Unterholz zwischen den Baumwurzeln und den Trieben nur gedämpft zu hören.
    Stattdessen lauschte er dem leisen Rascheln von Käfern, die mit ihrem unerträglichen Klicken seine Schnurrhaare zucken ließen. Immer wieder hörte das Klicken auf, und Southpaw stellte sich das Fell auf, während er darauf wartete, dass es wieder anfing.
    In dem Dickicht aus Büschen und Sträuchern, durch das sie jetzt zogen, hielt Miao wachsam nach Raubtieren Ausschau. » Passt auf Schlangen auf«, schickte sie still über das Netz mithilfe der Schnurrhaare, damit sie nicht miauen musste.
    Southpaw erstarrte. Er hatte einmal gesehen, wie sich eine Kobra das Ei einer Krähe geholt hatte– er hatte die schwarze Haube der Schlange mit einer Mischung aus Furcht und Blutdurst betrachtet und sich nicht entscheiden können, ob er die Schlange töten oder lieber rennen sollte, so weit ihn seine Pfoten trugen.
    Katar wandte den Kopf zu ihm um. » Wir können umkehren, wenn du Angst hast«, gab ihm der Kater zu verstehen.
    Southpaw zuckte verneinend mit den Schnurrhaaren und hoffte, keine der beiden anderen Katzen würde spüren, wie viel Angst er tatsächlich hatte. Er war schon einmal am Rand des Landstücks vorbeigeschlichen, auf dem das Verrammelte Haus stand, weil er sich einfach nicht fernhalten konnte. Doch hier auf dem Grundstück mit dem Rascheln der Käfer und der Angst im Bauch sah die Sache ganz anders aus.
    Sie hatten das Dickicht noch nicht ganz hinter sich und schlichen gerade durch stachelige Akazien, als Southpaw es roch. Er fletschte die Zähne und zog die Lippen zurück, wodurch er den Gestank, der sich ihm so unangenehm aufdrängte, besser aussondern konnte.
    » Dieser trockene Geruch, der wie das Mark eines verfaulenden Astes stinkt, stammt vom Holzwurm«, erklärte Katar. Es war ein staubiger, tückischer Gestank, durch den sich Southpaws Nasenflügel zusammenzogen. Aber noch schlimmer war, was dann kam: ein säuerlicher Geruch, schwer wie eine Wolke. » Das ist ein Großfußgeruch, Southpaw«, erklärte Miao. » Merk ihn dir gut: Er riecht nach Alter, Verfall und Traurigkeit.«
    Inzwischen hatte Southpaw die Zähne vollständig entblößt und die Nackenhaare hatten sich ihm aufgestellt. Er knurrte leise und warnend, als sie sich dem verfallenden, baufälligen Haus näherten.
    Neben Holzwürmern und Traurigkeit nahm Southpaw noch einen anderen Geruch wahr, der ihn zusammenzucken ließ, während sie nach Jägerart geduckt, die Bäuche auf dem Boden, voranschlichen. Es waren Ranken aus Feuchtigkeit, die sich vom Verrammelten Haus ausbreiteten, und sie trugen den muffigen Gestank von ungepflegtem Katzenfell, Krankheit, verdorbenem Essen und getrocknetem Blut zu ihm heran. Southpaw schauderte, als der Wind die Richtung änderte und diesen süßlichen Geruch noch verstärkte. Es fühlte sich an, als würde man von einer fauligen Pfote gehauen.
    Katar drückte sich an das zitternde Kätzchen und Southpaw spürte seine Wärme und fasste wieder Mut. Das Klicken der Käfer war nun noch lauter geworden, doch abgesehen davon hörte er noch etwas anderes. Es war undeutlich, und es dauerte einen Moment, bis er es einordnen konnte: das leise Klacken von Krallen auf einem Fußboden.
    Miaos rauchfarbener Schwanz zuckte an der Spitze, während sie ihn neugierig beobachtete. Die Pilgerreise zum Verrammelten Haus war für die Katzen von Nizamuddin ein Ritual des Erwachsenwerdens, denn auf diese Weise lernten sie die dunkle Seite von dessen Geschichte in ihrem ersten Lebensjahr kennen. Aber eine so junge Katze wie Southpaw hatte Miao noch nie mitgenommen. » Ich glaube, er ist alt genug«, sagte sie leise zu Katar und wusste, dass Southpaw diese Schnurrhaarübermittlung vermutlich nicht mitbekommen hatte– sein Unterricht darin, sich in das Katzennetz einzuklinken, hatte gerade erst begonnen, und er konnte noch nicht besonders gut empfangen.
    » Besser mit uns, als dass er sich hier auf eigene Faust herumtreibt«, antwortete Katar.
    Hinter ihnen hörten sie auf einmal den Lärm eines Großfußes. Katar signalisierte den beiden anderen Katzen über das Schnurrhaarnetz, dass sie Deckung suchen sollten, und als der Großfuß– ein unbeholfener, vor sich hin schlurfender Kerl– um

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