Der Clan der Wildkatzen
die Tür hinter sich, dann hörte er ein Knacken, und eines der alten Bretter der Tür gab nach.
Am Rande der Veranda kroch Miao heran und schlug dem Hund zweimal kräftig aufs Bein. Der heulte, als ihm die Krallen die Haut aufrissen, doch als er herumfuhr, um sich den Angreifer vorzunehmen, war Miao schon wieder verschwunden. Der Hund lief einige Schritte von der Liege weg und nahm die Witterung der Siamkatze auf. Doch dann verlor er das Interesse und wandte sich wieder dem Kätzchen zu.
Er drückte eine Pfote durch das Holz, genau über Southpaws Kopf, und der junge Kater machte sich klein, blickte nach oben und dem wütenden Hund in die Augen. Mit dem nächsten Hieb oder spätestens einem der folgenden würde er durch sein. Southpaw sah den Speichel auf den Zähnen des Monstrums glitzern, als es sich seinen nächsten Zug überlegte.
Miao hatte sich auf dem Dach versteckt und ließ sich nun auf die Veranda fallen, landete auf dem Rücken des Hundes und biss ihm in die Flanke, wobei sie einen lauten Schlachtruf ausstieß. Der Hund fuhr herum, knurrte wild, und eine Zeit lang sah es aus, als würde die Katze auf einem bockenden Pferd reiten.
» Spring ab, sonst bringt er dich um!«, rief Katar und erhob sich wackelig auf die Beine. Die Siamkatze kniff die Augen zusammen und bereitete sich darauf vor, abzuspringen. Katzen griffen selten Hunde an, und wenn, dann hatten sie die besten Chancen, wenn sie schnell zuschlugen und sich sofort wieder zurückzogen.
» Erstens: Sie wird das Gleichgewicht verlieren und abstürzen, aber auf allen vieren landen«, sagte die kalte Stimme in Southpaws Ohr. » Zweitens: Sie kann schnell laufen, deshalb ist sie verschwunden, ehe der Hund begriffen hat, dass sie nicht mehr auf seinem Rücken sitzt. Drittens: Dann sind wir wieder am Anfang– du bist so gut wie tot. Was für eine traurige Geschichte. Ist wohl nicht dein Glückstag heute.«
Miao wurde jetzt so heftig durchgeschüttelt, dass es so aussah, als würde sie vom Rücken des Hundes fliegen. Sie sprang ab, landete auf dem Boden und rannte davon, während der Köter ins Leere schnappte. Der Hund heulte vor Wut, aber Miao war schon die Hälfe eines Baumes hinaufgerannt, und zwar so schnell, als würde sie über das Gras schweben. Der Hund verschwendete keine Zeit mehr mit ihr, sondern war mit zwei Sätzen wieder auf der Veranda und jetzt erst recht in Mordslaune.
» Oder«, fuhr die kalte, gelangweilte Stimme fort, » du versuchst es mit uns. Wer werden dich auch umbringen, aber wenigstens gehören wir zur gleichen Spezies wie du. Ich würde dir eine faire Chance geben. Wie klingt das?«
Im Inneren des Hauses schlug eine Pfote auf morsche Bretter und brach ein Loch in die Tür.
Southpaw starrte den Hund an. Das Tier ragte über ihm auf, die Zunge hing ihm aus der Schnauze, und in wenigen Sekunden würde die Tatze vielleicht zum letzten Mal auf das Holz der Liege hämmern.
Katar, der schwankend im Unterholz stand, schien seine Gedanken zu lesen. » Nicht ins Verrammelte Haus, Southpaw! Das ist zu gefährlich!«
Der Gestank des Verrammelten Hauses stieg dem jungen Kater in die Nase: Es roch nach Tod, Fäulnis, Blut und Wahnsinn. Das Haus barg das Versprechen des Todes, aber vielleicht könnte er dem, was ihn darin erwartete, auf irgendeine Weise entkommen. Dem Hund hingegen, der nur darauf wartete, ihn in Stücke zu reißen, war er hilflos ausgeliefert.
» Ach, komm doch rein, Frischfleisch«, sagte die hinterlistige Stimme. » Das wird ein Riesenspaß.«
Die Hundepfote krachte auf das Holz nieder, und Southpaw drückte sich nach hinten und schob sich durch eines der morschen Holzbretter in das Verrammelte Haus, während Miao und Katar hilflos zusehen mussten.
» Jedenfalls für uns«, fügte die eisige Stimme hinzu, als Southpaw im Inneren verschwand.
7
Daturas Revier
D er Fall dauerte länger, als Southpaw erwartet hatte. Der Boden im Haus war eingesunken und lag niedriger als auf der Veranda. Southpaw drehte sich in der Luft und versuchte, auf allen vieren zu landen, und nicht auf dem Rücken.
Er war bereit, um sein Leben zu kämpfen, und daher fauchte er, so gut er konnte. Doch um ihn herum war Stille und tiefe, undurchdringliche Dunkelheit. Draußen bellte der Hund und warf sich gegen die Tür, doch abgesehen von dem morschen Brett war sie stabil und hielt dem Ansturm stand.
Southpaw roch andere Katzen, konnte jedoch keine sehen. Der Geruch war scharf und ihm ganz nah, als hätte hier gerade noch eine
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