Der Clan der Wildkatzen
Küche. Southpaw sprang von der Schüssel zurück und starrte nach oben– weit, weit nach oben. Aber der Großfuß bemerkte ihn gar nicht und der kleine Kater drückte sich verängstigt unter den Küchentisch ins nächstbeste Versteck. Dann machte es plötzlich Rums. Die Tür schlug zu, und Southpaw sah von seinem Versteck aus, dass der dunkle Regenhimmel verschwunden war. Er sah die Schuhe des Großfußes und zitterte wie Espenlaub, da er befürchtete, jeden Moment entdeckt zu werden.
Der Großfuß drehte sich um und ging hinaus, wobei seine Schuhe durch den Flur polterten und die Schritte schließlich im Haus verhallten. » Als Nächstes«, sagte sich der zitternde kleine Kater, » muss ich genau hier bleiben und warten, bis… bis sie die Tür wieder aufmachen… oder so.«
Doch mit der Zeit, während die Küchenuhr vor sich hin tickte und die Minuten verstrichen, ließ die Angst nach. Im Haus war es ruhig und warm. Vom Sender war nichts zu sehen, und die Großfüße schienen auf der anderen Seite des Hauses zu sein, denn Southpaw hörte ihre Stimmen aus der Ferne. Der kleine Kater krabbelte unter dem Tisch hervor. Er tapste zur Küchentür und drückte mit der Nase dagegen, doch sie bewegte sich kein Stück. Er beäugte den offenen Gang, der weiter ins Haus führte, wandte sich jedoch entschlossen davon ab. » Ich sollte hierbleiben«, redete er sich ein. » Morgen früh machen sie die Tür auf. Sie ist immer offen, wenn wir von unseren nächtlichen Streifzügen zurückkommen. Ich frage mich, wie lange es noch bis zum Morgen dauert…«
Unruhig tapste Southpaw durch die Küche und ging den vielen verschiedenen Gerüchen nach. Er haute auf eine einsame Kartoffel und kratzte über die Holzbeine eines Hockers. An der Tür, die tiefer ins Haus führte, blieb er stehen. Von hier konnte er den Sender riechen. Die jüngste Duftspur war aufregend und ließ darauf schließen, dass sie versucht hatte, an den Gardinen hinaufzuklettern. Und es gab außerdem Hinweise darauf, dass sie dabei nicht besonders erfolgreich gewesen war. Er reckte die Schnurrhaare vorsichtig nach oben, nahm jedoch keine Großfüße wahr.
Es kann doch nicht schaden, wenn ich mal kurz meine Nase hineinstecke, nur eine Sekunde lang , dachte er. Oder?
Southpaw tapste langsam voran und wagte sich immer weiter ins Haus hinein.
Maras Tag hatte wunderbar angefangen, denn den ganzen Morgen hatte sie mit der Großen Gardinenexpedition verbracht. Die war besser verlaufen als die letzte Expedition, die Mülleimerreise, die mit bösen Worten von den Großfüßen und Klapsen auf den Po geendet hatte. Darunter hatte ihre Würde erheblich gelitten, und das Kätzchen hatte sich aus den Händen ihres Großfußes gerungen und war mit aufgestellten Ohren, Schnurrhaaren und mit in die Höhe gerecktem Schwanz davonmarschiert, um ihnen zu demonstrieren, was sie von solchen Maßnahmen hielt. Dass die Großfüße trotz ihrer stolzen Haltung und dem erstklassigen Marsch über sie lachten, fand sie gar nicht nett von ihnen– inzwischen wusste sie nämlich genau, wann über sie gelacht wurde.
Sie hatte eine Gardine nach der anderen erklommen und sich über die Entdeckung von Wollmäusen und anderen unerwarteten Überraschungen gefreut– über einen halben Armreif, einen Kerzenstumpf, den auf dem Teppich herumzurollen großen Spaß machte, und über einen toten Käfer, den sie aufgefressen hatte, was sie inzwischen bereute. Es hatte in ihrem Bauch gekribbelt, und alles was sie danach aß, schmeckte unglaublich nach Käfer. Als es langsam Nachmittag wurde, wartete sie schließlich schnurrend auf Beraal.
Doch dann öffneten sich auf einmal die Himmelsschleusen. Mara streckte auf der Treppe die Pfote vorsichtig in den Regen, rannte aber sofort wieder ins Haus. Obwohl Beraal vom Monsun erzählt hatte und sie auch die Vögel beim Nestbau darüber hatte reden hören, war ihr die wichtigste Eigenschaft bislang entgangen: Regen war nass. Und das gefiel Mara überhaupt nicht.
Sie setzte sich lange Zeit vor die Küchentür, wo sie darauf wartete, dass der Regen aufhörte und Beraal kam. Beide Wünsche wurden ihr nicht erfüllt und Maras Ohren und Schnurrhaare hingen nach und nach immer tiefer. Ihre Großfüße waren ausgegangen, wie so oft am Nachmittag, und sie taperte rastlos durch das Haus, dessen Leere ihr nicht besonders gut gefiel. Das Kätzchen sprang lustlos auf eine Eidechse zu, die auf dem Türrahmen hockte, doch die huschte einfach in die Ecke davon und sagte
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