Der Clan der Wildkatzen
waschen.
Beraal hatte ihn einmal sogar erstaunt dabei beobachtet, wie er Wasserläufer durch die Pfützen scheuchte, während sie Schutz unter einer Parkbank gesucht hatte. Sie vertrat seitdem die gleiche Meinung wie Miao, die während eines Monsuns die Augen zusammengekniffen und verkündet hatte, dass Katar von den Flusskatzen des Nordens abstammen oder vielleicht sogar aus dem noch ferneren Bengalen kommen musste, das berühmt für schwimmende Katzen war.
Erst als das Rauschen des Regens vom einem sanften Plätschern zu einem schweren, beständigen Trommelschlag anschwoll und Katars Fell Gefahr lief, vollkommen durchnässt zu werden, sprang er widerwillig von seinem Dach, um sich auf den Weg zur Hütte des Fakirs zu machen. Bevor er aufbrach, warf er noch einen Blick auf Nizamuddin: Auf der einen Seite lag in Richtung Schrein ein Dächerlabyrinth, dort war der dunkle Fleck, wo das Verrammelte Haus auf seinem düsteren Grundstück stand, und schließlich sah er das eigentliche Nizamuddin mit seinen engen Reihen ordentlicher und manchmal begrünter Dächer. Zur Linken verlief der große Kanal mit seinem schlammigen Wasser, das der Regen in eine fette silbrige Schlange verwandelt hatte.
Miao und Beraal hockten unter den ausladenden Ästen einer Birkenfeige und leckten eifrig warme Milch aus Schüsseln, die der Fakir fürsorglich für sie herausgestellt hatte. Katar kam in großen Sätzen dazu, schüttelte sich das Wasser aus dem Fell und machte sich ebenfalls gierig über die Milch her. Als er währenddessen einmal aufsah, erkannte er Qawwali, der im Inneren des Schreins neben dem Fakir döste. Gerade begann das Abendgebet.
Die drei Katzen lagen hinterher zusammengerollt da und kämpften gegen den plötzlich feuchten, kalten Regen an, indem sie sich gegenseitig wärmten. Katar reckte sich ausgiebig und vergrub dann die Pfoten unter Beraals Bauch, um sie warm zu halten. Er zuckte kaum zusammen, als einige Großfüße vorbeieilten. » Du gewöhnst dich ja immer mehr an die Großfüße«, stellte Miao fest.
» Nur wenn der Fakir hier ist«, antwortete Katar schläfrig. » Er versteht uns.« Der Fakir hatte einen feinen Bart und einen Schnäuzer, und Katar glaubte fest daran, dass er sich mit den Katzen verständigen könnte, wenn er sich nur genug Mühe gäbe. Allerdings war das noch nie ausprobiert worden. » Andere Großfüße dagegen sind heimtückisch. Alle Zweibeiner sind gefährlich.«
Dass er so dachte, hatte einen Grund: Katars Vater war eines Tages in einem Großfußhaus auf die Jagd gegangen und nie zurückgekehrt. Seine Mutter war auf der Straße gestorben. Der Kater hatte nicht viel für die Großfüße übrig und hielt sich von ihren Häusern fern, obwohl er gern die Dächer erkundete.
Beraal schaute zu, wie sich Qawwali von Besuchern des Schreins streicheln ließ. » Aber nicht alle Großfüße sind böse, oder?«, fragte sie. » Mara scheint ihre zu mögen. Die behandeln sie, als wären sie selbst Katzen.« Sie dachte daran, wie Mara von den Großfüßen auf dem Arm herumgetragen wurde, wie sie ihr immer die Schüssel mit Futter auffüllten und ihr Herumtollen geduldig hinnahmen.
Katar schnaubte verächtlich. » Deine Mara kann man wohl kaum eine Katze nennen, oder? Wir haben gesehen, was sie sendet, aber bislang hat sie keinen Schritt aus der Höhle ihrer Großfüße gewagt. Außer dir und Southpaw weiß niemand, wie ihr Fell riecht, und unsere Schnurrhaare haben sich noch nie berührt, obwohl sie unser Sender ist«, sagte er.
» Vielleicht ist das so bei Sendern«, sagte Beraal und stupste Miao fragend mit der Nase an.
Die Siamkatze lag halb schlafend auf der Seite, öffnete jedoch auf Beraals Frage hin die blauen Augen. » Tigris wurde in der Hecke hinter dem Verrammelten Haus geboren und hat als Kätzchen an der Kanalstraße gespielt. Sie war durch und durch eine Draußenkatze und stammte aus einem großen Wurf.«
» Vielleicht ist deine Mara einfach nur verrückt«, meinte Katar, während sein Schwanz leicht auf den Boden klopfte. Wie die anderen Katzen auch hatte er das Ergebnis des Kampfes zwischen Hulo und Beraal akzeptiert und daran gab es auch nichts zu rütteln. Doch die Zeit verstrich, und der Sender blieb im Haus– für Katar die Bestätigung dafür, dass Drinnenkatzen eigenartige Wesen waren.
Miao regte sich, ehe Beraal antworten konnte. » Ich habe Tigris gut gekannt«, erzählte sie. » Sie ist wie jede andere Wilde Katze in Nizamuddin aufgewachsen und hat gelernt, den
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