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Der Clan der Wildkatzen

Der Clan der Wildkatzen

Titel: Der Clan der Wildkatzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Ich werde Claw überreden, keine Katzen mehr anzugreifen, solange du willst, aber wir werden uns nicht am Kampf beteiligen.«
    Die alte Siamkatze schüttelte den Regen von den Pfoten und putzte sich abwesend. Ihrer Haltung nach gab sie sich nicht geschlagen, doch über ihre Augen hatte sich eine Trübheit gezogen, die nicht an ihrem Alter lag: Sie sah in der Zeit zurück und durchforstete ihre Erinnerungen.
    Tooth wünschte sich, sie würde gehen. Er fühlte sich nicht wohl dabei, Miao eine Absage zu erteilen, doch diese Sache ging ihn einfach nichts an. Der Wind wehte wieder in Böen und grauer Nieselregen ging nieder. Die Luft roch nach Sturm und Tooth wollte aufsteigen und auf dem Donner reiten.
    » Erinnerst du dich noch an deine Mutter, Tooth?«, fragte Miao.
    Der Milan drehte sich bestürzt um.
    » Stoop war eine gute Freundin von mir«, fuhr die Katze fort. » Ich bin allerdings nicht so gut mit Conquer, ihrem Gatten, ausgekommen. Er hatte nicht viel Zeit für Katzen. Aber Stoop und ich saßen oft hier oben und haben geredet. Du erinnerst mich sehr an sie.«
    » Ich?«, fragte Tooth. Er schüttelte sich und umfasste das Geländer mit den Krallen fester. Seine Mutter war eine legendäre Fliegerin und Kämpferin gewesen, die Kriegerkönigin der Lüfte. Er selbst hatte die erste Hälfte seines Lebens damit verbracht, ihr nachzueifern, und die zweite damit, ein sehr guter Geschwaderkommandant zu sein, der wusste, dass er Stoops Können niemals erreichen würde und trotzdem nicht aufgab.
    » Ja, wirklich«, sagte Miao sanft. » Du besitzt auch ihr Gespür für Gerechtigkeit, wenn auch nicht ihre Waghalsigkeit.«
    Tooth schrie unwillkürlich zur Warnung und sträubte das Gefieder. » Meine Mutter war nicht waghalsig.«
    Miao lachte leise vor sich hin. Sie hatte das warnende Funkeln in den Augen von Tooth gesehen, den roten Ring um die Pupillen, der nur für einen Moment aufflackerte.
    » Stoop war furchtlos«, sagte sie. » Sie war die beste Kämpferin in ihrem Schwarm, diejenige, die am meisten Beutetiere erlegte, die aus der Sonne geradewegs auf ihre Feinde niederging, diejenige, die sich nie einen Kampf entgehen ließ. Und sie hatte ein großes Herz, war großzügig und kümmerte sich sehr gut um ihre Küken. Sie kannte auch noch die letzte Schwanzfeder aller Mitglieder ihres Geschwaders.«
    Miao hörte auf, sich die Schwanzspitze zu putzen. » Aber sie war waghalsig, Tooth. Weißt du, wie sie gestorben ist?«
    Der Milan erwiderte nichts, doch einen Moment lang war der Schmerz in seinen Augen zu sehen.
    Conquer war eines Nachts mit einer Wunde am Flügel nach Hause gekommen und seine Krallen waren abgebrochen. Er hatte Tooth bei einem unbeholfenen Sturzflug beobachtet und nichts dazu gesagt. Doch jetzt wandte er sich an seinen Sohn.
    » Du musst dich schon ein bisschen geschickter anstellen, wenn du das Geschwader anführen willst. Deine Mutter hat sie alle bis zum letzten Greifvogel selbst ausgebildet, und die werden nur nach Fehlern suchen, wenn du als Fliegerhauptmann zu ihnen kommst– nein, der Rang ist zu niedrig. Besser gleich als Oberst. Du solltest dich darauf einstellen, das Geschwader in drei Monaten als Kommandant zu übernehmen.«
    » Ich trete dem Geschwader bei?«, hatte der junge Tooth gefragt. » Ich dachte, bis zum nächsten Monsun würde keine Stelle frei?«
    Conquer hatte seine Wunden geleckt und versucht, die Enden der zerrissenen Federn am Flügel zu schließen. Ohne jeden Ausdruck in den grauen Augen hatte er seinen Sohn angesehen.
    » Jetzt schon. Stoop ist heute Nachmittag gestorben.«
    Tooth hatte nie erfahren, wie es geschehen war. Einmal hatte er seinen Vater danach gefragt und dafür so einen heftigen Schlag bekommen, dass er eine Weile beim Fliegen immer leicht gegensteuern musste, weil Conquers Krallen eine Kerbe in seinem rechten Flügel hinterlassen hatten. Er fragte nie wieder.
    Jetzt wurden seine Federn bereits grau an den Spitzen, und er sprach mit der Katze, die eine gute Freundin seiner Mutter gewesen war. » Erzählst du mir, wie es geschehen ist, Miao?«, fragte er.
    Die Katze blickte mit den rauchigen Augen tief in seine goldenen. » Möchtest du es denn wirklich wissen?«
    Tooth starrte in den grauen Himmel hinauf und flatterte, während er darüber nachdachte. » Ja«, sagte er schließlich. » Es ist Zeit, dass ich erfahre, was geschehen ist.«
    Miao setzte sich hin und hielt bedachtsam Abstand zu Tooth. Sie ließ den Blick über die Dächer schweifen. » Erinnerst du

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