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Der Clan der Wildkatzen

Der Clan der Wildkatzen

Titel: Der Clan der Wildkatzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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dich an Tigris?«
    » Euren Sender?«, fragte Tooth. » Ja, mein Vater hat oft von ihr gesprochen, wenn er uns von seinen Kükenjahren erzählt hat. Sie war eine Weitseherin der alten Schule, nicht wahr? Ich habe noch nicht allzu viele von ihrer Sorte kennengelernt, nicht bei den Milanen und nicht bei den Katzen.«
    » Es war Tigris’ erstes Jahr als Sender«, sagte Miao. » Ihre Mutter hatte ihre Fähigkeiten in jenem Winter entdeckt, als ihr auffiel, dass Tigris mit den Schnurrhaaren eine Reichweite hatte wie keines der anderen Kätzchen im Wurf– sogar eine größere als die erwachsenen Katzen.«
    Der Milan lauschte aufmerksam, schloss die Augen und entspannte die Krallen, als Miao ihre Geschichte erzählte.

15
    Der Sommer der Krähen
    I n jenem Winter hatte Tigris düstere Visionen. Sie träumte von schwarzen Wolken, die sich vom Himmel herabsenkten und wie Leichentücher über die Wilden Katzen legten. Sie war besorgt. Zuerst bat sie die Katzen, Nizamuddin zu verlassen, schließlich begann sie, sie regelrecht zu drängen. Aber würde ein ganzer Clan umziehen, nur weil eine junge Katze, die gerade ein Jahr alt war, schlecht geträumt hatte? Selbst ihre Mutter Neferkitty, die grimmigste Kätzin des Clans, nahm Tigris’ Forderung nicht ernst.
    Im Frühling wurden die Träume, die Tigris heimsuchten, noch lebhafter, aber es war einer der schönsten Frühlinge, die wir je erlebt hatten. Einer dieser seltenen, in denen die Nächte nach Jasmin rochen, in denen es reichlich Beute gab und in denen die Großfüße uns zur Abwechslung in Ruhe ließen.
    Wirklich perfekt also, und die darauffolgende Jahreszeit stand im absoluten Gegensatz dazu. Denn jener Sommer war der Sommer der Krähen.
    Zuerst war es nur ein Schwarm, dann wurden es zwei, und dann immer mehr und mehr Vögel, die sich krächzend in den Hecken und Bäumen von Nizamuddin niederließen. Wir Wilden Katzen störten uns nicht daran – Krähen hatten schon immer hier bei uns im Viertel gelebt. Erst als immer mehr kamen, wurden wir misstrauisch. Du weißt ja, wie Krähen sind, Tooth: laut und umtriebig, abends geben sie große Partys und es gibt ständig Streit zwischen den Jüngeren. Gemein können sie auch sein, und manche sind auch sehr geschickte Diebe, die warten, bis eine Katze oder ein Milan Beute gemacht hat, um sie dem Jäger dann zu rauben.
    Sie sind aber auch lustig: Denk nur an Blackwing oder Brightbeak und ihre Brut. Sie halten für uns alle Wache. Die Krähen von damals aber waren anders. Sie fielen über uns her wie Monsunwolken, ließen sich massenweise in den Bäumen nieder, bis sie nur noch Schwarz und Grau waren, und durch die Luft gellte ihr unaufhörliches Krächzen und Schnattern. Da erinnerte sich der Clan an die Visionen von Tigris und Angst erfüllte unsere Herzen und Schnurrhaare.
    Stoop beachtete sie zuerst überhaupt nicht. Sie ging wie gewohnt auf ihre täglichen Jagdzüge und hielt sich fern, hockte entweder auf den höchsten Giebeln oder schlief in Bäumen auf dem wilden, besitzerlosen Grundstück. Conquer war nicht glücklich darüber, als sie dann schließlich doch allen Milanen befahl, Nizamuddin zu verlassen und sich so weit wie möglich von den Krähen entfernt – beim Mausoleum und auf der anderen Seite des Kanals – ein neues Heim zu suchen. Aber er gehorchte und kam nur für kurze Besuche zurück.
    Ich war ebenfalls ganz durcheinander, denn es sah Stoop überhaupt nicht ähnlich, das Revier einfach aufzugeben. Deine Mutter hatte immer etwas für einen guten Kampf übrig. Aber eines Tages, als sich unsere Wege kreuzten, sagte sie zu mir: » Ich verstehe das nicht, Miao, da steckt doch etwas hinter dem Verhalten der Krähen. So eine Invasion ist nicht normal – sie sind Flüchtlinge, sie haben keine richtigen Anführer oder Stämme, und das macht sie gefährlich. Ich muss mir etwas überlegen, wie wir sie von hier vertreiben können.«
    Sie versuchte, mit den Anführern der Krähen zu sprechen, doch Bitterbite und Bakbuk flatterten aus ihren Nestern auf sie zu, krächzten ihr wütende Drohungen zu und weigerten sich, ihre Fragen zu beantworten. Stoop parierte ihre Angriffe mit Leichtigkeit und flog in die federleichte Umarmung einer Wolke. Von da an machte sie keinen weiteren Versuch mehr, sich mit ihnen zu einigen.
    Wir vermissten die Milane. Manchmal macht deine Familie Jagd auf unsere Kätzchen oder auf ältere Katzen und auf solche, die krank sind. Dafür räubern wir in euren Nestern, wann immer wir eins finden,

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