Der Clan der Wölfe 1: Donnerherz (German Edition)
angesehen werden. Lag es etwa daran, dass die Schrittabfolge durcheinandergekommen war? Soweit sie sehen konnte, hinkte oder taumelte der Wolf aber nicht.
Die Prozession kam nur langsam voran, weil Duncan MacDuncan mit seinen arthritischen Beinen nicht mithalten konnte. Ein Feldwebel, ein schnelles Weibchen, lief an der Spitze. Zwei weitere sehr schnelle Weibchen, sogenannte Außenflankerinnen, begleiteten sie und deckten zu beiden Seiten einen breiten Streifen ab. Auch Schlussläufer waren dabei. Die beiden Rüden hielten nach Hinweisen Ausschau, ob der geiferkranke Wolf kehrtgemacht hatte und zurücklief, um seine Spuren zu verwischen. Die Sark fand das idiotisch, denn ein Geiferwolf wurde am Ende tollwütig und hatte nicht mehr den Verstand für solche Täuschungsmanöver.
Auch das beunruhigte die Sark. Die Spur des geiferkranken Wolfs verlief gerade, statt planlos hin und her zu gehen wie bei einer tollwütig gewordenen Kreatur. Am meisten aber quälte sie der Gedanke, dass nur eine Pfote abgespreizt war. Wieso war nur eine Pfote von der Krankheit befallen, und nicht alle vier?
Die Außenflankerinnen waren gerade mit der Nachricht zurückgekehrt, dass der Wolf nach Westen weitergezogen war, zu den Salzlagunen, wie die flachen türkisblauen Salzseen genannt wurden.
„Gut! Gut!“, rief Angus MacAngus. „In der Gegend dort gibt es einen Engpass, die ideale Stelle für eine Feuerfalle. Wir schicken eine Abordnung mit euch, die euch helfen soll, einen Graben zu schaufeln.“ Angus MacAngus wirbelte herum und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. „Laird, Mac, Brienne, ihr drei führt die Brennstoffsammlung an.“ Dann wandte er sich an die anderen Oberhäupter. „Wollt Ihr uns die Ehre erweisen und drei Mittelrangige aus Euren Clans auswählen, die Feldwebel Laird, unserem Quartiermeister, bei der Brennstoffbeschaffung helfen?“
Die Sark schaute zu und war beeindruckt von den barschen Kommandos, der zügigen, fehlerlosen Organisation. Die Wölfe machten das irrationale Chaos in ihren Köpfen durch ein beachtliches Organisationstalent wett, das musste sie zugeben.
Jetzt schien der richtige Moment zu sein, um eine Frage einzuflechten. Aber vorher musste sie die ganzen idiotischen Unterwerfungsrituale ausführen. Anders ging es nicht, das wusste sie. Obwohl es in ihren Augen nur ein Haufen Rentierkacke war.
Trotzdem ging sie in die Knie und drückte sich eng an den Boden, während sie gleichzeitig ihre Lefzen zu einer Grimasse totaler Unterwürfigkeit zurückzog. Dann senkte sie den Kopf, wühlte ihren Kiefer in die Erde und drehte ihr Gesicht so herum, dass ihr gutes Auge das Oberhaupt anblickte. Jetzt noch das Auge verdrehen und das Weiße zeigen, als letztes Demutszeichen. Ihr krankes Auge war dafür hoffnungslos ungeeignet.
„Du hast eine Frage, Sark?“
„Herr, ich bitte Euch untertänigst darum, die Außenflankerinnen nach einer Beschreibung der Zehenabdrücke zu fragen.“
Der Clanführer nickte Finola zu. Zögernd trat die Wölfin vor. Sie hatte solche Angst vor der Sumpfhexe, dass sie am ganzen Leib zitterte. „Die Abdrücke waren genau wie bei einer geiferkranken Kreatur. Die Zehen waren tief in die Erde gewühlt und ungefähr doppelt oder vielleicht sogar dreimal so weit auseinandergespreizt wie bei einem normalen Wolf.“
„Und waren alle Zehenabdrücke so, wie du sie beschreibst?“, fragte die Sark weiter. Das Sprechen war allerdings eine Tortur, wenn man mit der einen Gesichtshälfte in der Erde steckte. Aber der Clanführer hatte ihr noch nicht die Erlaubnis erteilt, sich zu erheben. Wahrscheinlich wollte er der Außenflankerin den Anblick ihres weghuschenden Auges ersparen. Das arme Ding war auch so schon verängstigt genug. Und es gab nichts, was einem anständigen Wolf schneller den Magen umdrehte als ein bernsteinfarbenes Auge, das im Gesicht herumrollte wie ein fauliger Eidotter.
„Ich verstehe nicht, was du mit allen Abdrücken meinst, ähm … ähm …“, stotterte Finola, die offenbar nicht wusste, wie sie die Sark ansprechen sollte. Die Hexe hatte keinen Rang. Das Oberhaupt hatte sie Sark genannt, aber …
Die Sark ersparte ihr weitere Peinlichkeiten, indem sie ihr die nächste Frage stellte: „Meine Frage ist, ob die Zehenabdrücke alle von einer Pfote waren. Wie wir wissen, bewegt sich der Wolf auf einer östlichen Route. Folglich müssten die gespreizten Zehenabdrücke nach Süden oder Norden aufspringen. Hast du bemerkt, ob sie alle in eine Richtung
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