Der Clan der Wölfe 2: Schattenkrieger (German Edition)
habe nie einen Welpen zur Welt gebracht, geschweige denn, dass mir einer von der Obea fortgenommen und zu einem Tummfraw getragen wurde. Aber ich habe ein Herz.“ Er hielt inne. „Und ich weiß, dass dieser silberne Welpe, dem du nie einen Namen gegeben hast, wie ein leuchtender kleiner Stern in dir brennt.“
„Wie ist das möglich? Wie kannst du das alles fühlen?“, fragte sie mit zitternder Stimme.
„Wir sind pfotenfest, oder nicht?“
„Ja, das sind wir!“, erwiderte Morag aus vollem Herzen.
„Haben wir unser Pfotenfest-Gelübde nicht vor zwei Herbstzeiten im Rentiermond abgelegt?“
„Nein, im Mond der Roten Blätter“, sagte Morag. „Ich erinnere mich genau.“ Im Flüsterton fügte sie hinzu: „Nur zu gut erinnere ich mich. An so vieles …“
„Wir müssen noch über etwas anderes reden“, sagte Brangwen und schmiegte den Kopf dicht an ihr Ohr. „Du musst mir von deinen Augen erzählen. Was ist damit?“
„Die Dunkelheit, die in meiner Gebärmutter war, dort, wo der silberne Welpe heranwuchs, ist zurückgekehrt und hat sich bis in meine Augen ausgebreitet.“
„Und jetzt siehst du nur Schwärze. Ist es immer dunkel? Wie in der Nacht?“
„Nein, eher so, als versänke ich in einem Nebel. Und ich sinke schnell.“ Morag hielt inne. „Ich hatte Zeit, darüber nachzudenken, Brangwen. Ich muss zur Sark vom Sumpfmoor gehen.“
Sie spürte, wie sich Brangwens Nackenfell sträubte. Männliche Wölfe fürchteten die Sark viel mehr als weibliche. Die Macht dieser Wölfin verunsicherte sie. Morag war nicht zur Sark gegangen, als sie ihre Welpen verloren hatte. Vielleicht war das ein Fehler gewesen. Es hieß, dass die Sark Tränke braute, die beim Vergessen halfen. Und sie kannte auch Stärkungsmittel, die die Gebärmutter heilten, damit sie aufnahmefähig für einen neuen Wurf wurde. Aber jetzt musste Morag zu ihr gehen, um sich von dem Nebel zu befreien.
„Ich gehe mit dir“, erklärte Brangwen.
„Hast du denn keine Angst vor der Sark?“, fragte Morag.
„Mir macht es mehr Angst, dass du stolpern oder dich verirren könntest.“
„Aber Gerüche fange ich jetzt schneller auf. Meine Nase ist schärfer denn je.“
„Ein Loch im Boden kann man nicht riechen. Auch nicht den Weg zur Sark“, wandte Brangwen ein.
„Wahrscheinlich hast du Recht. Aber was ist mit den Jährlingen? Wer wird auf sie aufpassen?“
„Ihre Tante Daraigh natürlich“, sagte Brangwen.
„Aber Daraigh ist so streng.“
Nicht so streng wie du früher, hätte Brangwen am liebsten geantwortet. Aber er hielt den Mund.
Damit war es beschlossene Sache. Am nächsten Morgen in aller Frühe würden sie zum Sumpfmoor aufbrechen und die Sark aufsuchen.
Zur selben Zeit, als Morag und ihr Gefährte zum Sumpfmoor aufbrachen, schwang Gwynneth sich von einem Felssims am Kreis der Heiligen Vulkane auf. Ihre Rumser-Ausbeute war fantastisch. Sie war einen ganzen Mond lang dort geblieben. Doch das grässliche Verbrechen, das sie auf dem Hügelkamm beobachtet hatte, steckte ihr noch in den Knochen. Pausenlos musste sie daran denken. Die Todesschreie des Malcadh hallten ihr in den Ohren und sie sah sein armes zerfleischtes Körperchen vor sich. Es war wie ein Albtraum aus den dunkelsten Regionen von Hägsmir. Wäre Hamisch, der alte Fengo der Garde, hier gewesen, hätte sie mit ihm darüber gesprochen. Aber es gab jetzt einen neuen Fengo, einen Wolf namens Finbar, dem sie sich nicht nahe fühlte.
Vielleicht sollte ich die Sark vom Sumpfmoor besuchen, dachte sie. Gwynneth war eine Eule – eine Eule mit Rumsern. Die Sark liebte Glut und Gwynneth handelte damit, so wie ihr Vater früher. Außerdem wurde gemunkelt, dass die Sark sich besser mit Eulen verstand als mit ihrer eigenen Art.
Die Sark räumte gerade Töpfe aus ihrem Brennofen, als Gwynneth landete. „Ich habe sehr gute Rumser für Euch, Madame.“ Die Sark wurde von den Eulen immer mit „Madame“ angesprochen. Das schien ihr zu gefallen, sonst hätte sie es ihnen sicher gesagt.
„Auch minderer Güte?“
„Minderer Güte? Was in aller Welt wollt Ihr damit anfangen?“
Die Sark drehte den Kopf herum und warf Gwynneth einen verschmitzten Blick zu. „Ich weiß schon, ihr Glutsammler und Schmiede denkt immer, je heißer, desto besser. Aber meine liebe Gwynneth, du arbeitest ja auch mit Metall. Ich dagegen mit Erde, Lehm und Glasuren – Glasuren aus Knochen, Sand, Borax und anderen Mineralien, die ich aus dem Fluss gewinne und zerstampfe. Das wahre Geheimnis
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