Der Clan
seit fast einem Jahr schaue ich aus diesem Fenster, ohne je einen Baum oder ein Stück Grünes zu sehen. Ich glaube, ich habe schon fast vergessen, wie Bäume aussehen.«
Loren stand auf und ging zu ihr. Er umarmte sie und zog sie an sich. Ihr Kopf ruhte an seiner Schulter. »Ich weiß, es war nicht leicht«, sagte er. »Aber wir haben das ja erwartet.«
»Entschuldige«, sagte sie. »Für dich war es auch nicht leichter. Aber du hast wenigstens deine Arbeit, die dich beschäftigt. Ich habe nichts zu tun, als verrückt zu werden.«
»Hör zu«, sagte er, »gib mir noch ein paar Tage Zeit, um hier alles in Ordnung zu bringen, und dann könnten wir vielleicht nach Kalifornien fahren und uns ansehen, wie sie dort mit den Testwagen vorankommen. Es ist sowieso Zeit, daß ich mal hinfahre.«
»Das wäre herrlich! Ich habe das Gefühl, der neue Wagen wird großartig!«
»Hoffentlich«, sagte er ohne Begeisterung.
Sie sah ihn an. »Du machst dir Sorgen?«
Er nickte.
»Warum? Wenn alle in der Branche so begeistert davon sind?«
»Die können sich das leisten«, sagte er verdrießlich. »Es ist nicht ihr Geld. Wenn der Wagen ein Misserfolg wird, kann er das ganze Unternehmen mit in die Pleite stürzen.« Er ging zur Bar und holte sich sein Glas. »Wenn er ein Erfolg wird, geht es uns gut, aber in wenigen Jahren werden GM und Ford sich einmischen und den Markt an sich reißen, so daß wir in Wirklichkeit nichts anderes tun, als unser Kapital für sie aufs Spiel zu setzen.«
Er kam wieder zu ihr. »Ich erinnere mich an das Jahr 1953, als ich Präsident der Gesellschaft wurde. In jenem Jahr gab die Kaiser-Frazer-Gesellschaft endlich ihren Geist auf und ging zum Teufel. Sie hatten einen guten Wagen, aber er nützte ihnen nichts mehr. Da war einerseits die Konkurrenz, andererseits der Koreakrieg, durch den ihre Zulieferfirmen für die Rüstung arbeiten mußten. So gingen sie kaputt. Damals faßte ich den Entschluß, mich nicht mit der Konkurrenz anzulegen. Ich gab mich mit dem Anteil am Automobilmarkt zufrieden, den wir herausschinden konnten, und suchte den Profit auf anderen Gebieten. Und ich hatte nicht unrecht. Seither ist noch kein Jahr vergangen, in dem wir weniger als sechs Millionen Nettogewinn erzielt haben. Und nun droht ein Geist aus der Vergangenheit das ganze Unternehmen zu vernichten.«
Es war die längste Rede, die sie von ihm gehört hatte. Sie starrte ihn nachdenklich an. »Hast du das jemals Nummer Eins gesagt?«
Seine Antwort klang bitter. »Es gibt keinen Menschen auf der Welt, auf den mein Großvater hört. Ausgenommen vielleicht Angelo. Und auch auf ihn nur dann, wenn Angelo ihm sagt, was er hören will.«
»Aber wie steht es mit dir?« fragte sie. »Möchtest du den neuen Wagen nicht bauen? Einen Wagen, den sich jeder wünscht?«
»Natürlich möchte ich das, es ist der Traum von jedem in der Branche. Aber als Kind wollte ich der erste Mensch auf dem Mond sein. Das habe ich auch nicht geschafft.«
»Warum bist du dann nicht überhaupt aus dem Automobilgeschäft ausgestiegen?«
»Ich hätte es tun sollen.« Er starrte in seinen bernsteinfarbenen Drink. »Aber ich wußte, dann würde mein Großvater sterben. Für ihn waren unsere Autos der einzige Grund, am Leben zu bleiben. Sie waren das einzige, was ihn interessierte.«
Sie schwieg eine Weile, dann stellte sie ihr Glas ab, nahm ihm das seine aus der Hand und stellte es daneben. »Komm ins Bett«, sagte sie.
»Das Hauptproblem beim Turbinenmotor war die Beschleunigungsreaktion und die fehlende Motorbremsung«, sagte Tony Rourke. »Wir glauben, hier endlich eine Lösung gefunden zu haben.« Er zeigte auf die Blaupausen von Loren III. »Wir fügen dem Antriebsrotor einen Gegenrotor hinzu, der durch einen Statorflügel in Betrieb gesetzt wird, welcher bei stärkerer Drosselung den Düsendruck ablenkt. Dadurch erzielen wir künstlich das gleiche wie die normale Motorbremsung der Verbrennungsmaschine. Umgekehrt beseitigt er die bei einer Turbine normalerweise vorhandene Reaktionsverzögerung, so daß stets genügend Reserven für Start- und Üb erhol vorgänge vorhanden sind.«
»Ist das getestet worden?« fragte Loren.
»Gründlich«, antwortete Rourke. »Wir haben es seit vergangenen Dezember bei allen Testwagen verwendet. Jeder Wagen ist seitdem durchschnittlich dreißigtausend Kilometer gefahren.«
»Das kostet eine Menge«, sagte Loren, und mit einem Blick auf Weyman: »Haben Sie die Zahlen?«
Weyman nickte.
»Wenn wir den Motor in einer
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