Der Clan
jedesmal, wenn sie mit ihm zusammen war. Nicht ein einziges Mal hatten sie Geschlechtsverkehr gehabt, er hatte es auch nie gewollt. Wenn sie Jungfrau gewesen wäre, er hätte sie bestimmt nicht entjungfert.
»Gib ihr fünf Dollar und schick sie mit dem Taxi nach Hause«, sagte er zu seinem Leibwächter.
Mike trat mit einem Fünf-Dollar-Schein auf sie zu. Sie nahm das Geld, und er begleitete sie zur Tür. Sie drehte sich zum Bett um.
»Du rufst mich morgen nach dem Büro hier an«, befahl er.
»Ja«, sagte sie. »Gute Nacht.«
»Gute Nacht.« Mike trat zur Seite und öffnete ihr die Tür. Sie hörte, wie sie sich hinter ihr schloß, als sie den langen Krankenhauskorridor entlangging.
Draußen sah sie auf ihre Hand hinunter. Sie hielt den FünfDollarSchein immer noch krampfhaft fest. Das Geräusch einer sich nähernden Straßenbahn traf ihr Ohr. Sie sah den Schein noch einmal an, dann schaute sie auf die Reihe wartender Taxis.
Plötzlich begann sie, auf die Haltestelle der Straßenbahn an der Ecke zuzulaufen.
Die Heimfahrt würde mehr als zwei Stunden dauern. Aber fünf Dollar waren mehr als der Lohn für einen Tag Arbeit.
Edgerton kam ins Büro. »Ich mache mir Sorgen, Mr. Hardeman«, sagte er. »Heute ist der zweite Zahltag, seit die Banken zu sind, und viele Angestellte beschweren sich bei uns. Die Läden wollen unsere Schecks nicht annehmen.«
»Wir stehen gut dafür«, erklärte Loren.
»Es handelt sich nicht bloß um uns«, sagte Edgerton, »sondern um die Bank. Allzu viele Banken haben schon endgültig zugesperrt. Nun höre ich Gerüchte, daß die Männer
nicht zur Arbeit kommen wollen, wenn sie nicht bar bezahlt werden.«
»Dann zahlen Sie eben bar.«
»Wir haben das Geld nicht«, sagte Edgerton kurz. »Unsere wöchentliche Lohnliste macht mehr als hundertvierzigtausend aus. Kein Mensch hat heutzutage so viel Bargeld vorrätig.«
»Dann besorgen Sie es sich!«
»Woher? Die Banken sind für uns ebenso geschlossen wie für unsere Leute.«
Loren überlegte eine Weile. »Was sagt die Personalabteilung dazu?«
»Warren hat mir den Schwarzen Peter zugespielt. Er sagt, es ist Sache des Finanzchefs, das Geld für die Lohnliste zu besorgen.«
»Hat er den Leuten die Lage erklärt?«
»Angeblich ja.«
»Das frage ich nicht. Hat er es getan?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe gehört, daß einige Männer zu ihm gekommen sind, um mit ihm darüber zu reden, und daß er alle entlassen hat.«
»Warum?«
»Er sagt, es waren Stänkerer, alles Mitglieder der kommunistischen I. W. W., die das Werk gewerkschaftlich organisieren wollen, und daß sie dies hier nur als Vorwand benutzen.«
»Was ist Ihre Ansicht?«
»Ich kenne einige dieser Leute, sie arbeiten schon lange bei uns. Ich glaube nicht, daß sie >Wobblys< sind.«
»Und wenn sie es auch wären? Hätten sie nicht trotzdem ein Recht darauf, ihr Geld zu bekommen?«
»Doch«, sagte Edgerton.
Loren klappte den Schalter seines Haustelefons um. Melanies Stimme antwortete: »Bitte, Mr. Hardeman.«
»Sagen Sie Mr. Warren, er soll sofort heraufkommen«, sagte er und schaltete wieder ab.
Nach wenigen Minuten kam Joe Warren ins Büro. Sein Arm lag noch in einer Schlinge, sein Blick war müde.
»Warren, ich höre, wir haben Schwierigkeiten, weil die Leute ihre Schecks nicht zu Geld machen können.«
Warren begann vorsichtig. »Sie müssen die Tatsache zur Kenntnis nehmen, Mr. Hardeman, daß sich bei uns in den letzten Jahren I.W.Ws, Kommunisten und Gewerkschaftsorganisatoren, eingeschlichen haben. Nicht unsere Leute machen die Schwierigkeiten, sondern die.«
»Wollen Sie damit sagen, daß unsere Leute ihre Schecks kassieren können?«
»Nein«, sagte Warren, »aber sie beschweren sich nicht.«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich kenne die Guten und die Schlechten.«
»Und nur die Schlechten beschweren sich?« fragte Loren sarkastisch.
»Ja, Mr. Hardeman.«
»Haben Sie ihnen die Situation erklärt?«
»Es gibt nichts zu erklären. Alle anderen Unternehmen der Stadt sind in der gleichen Lage. Das weiß jeder.«
»Wenn sie aber die Schecks nicht kassieren und in den Läden keinen Kredit bekommen können, wie sollen sie dann essen?« fragte Loren.
»Das ist nicht unser Problem. Man kann nicht von uns erwarten, daß wir uns um die Geldprobleme unserer Leute kümmern. Wenn sie sich keinen Kredit besorgen können, ist das bedauerlich.« »Glauben Sie nicht, daß unser Kredit in Frage gestellt wird, wenn die Geschäfte unsere Schecks nicht
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