Der Clark Darlton Reader
das, sondern nur aus einem Vergleich heraus. Er stellte sich nämlich vor, was im umgekehrten Fall wohl auf der Erde alles geschehen würde. So freundlich die Menschen hier auch waren, sie ließen ihn irgendwie gleichgültig. Oder war das vielleicht die endgültige Zufriedenheit und Ausgeglichenheit dieser Menschheit? Er vermochte es nicht zu sagen.
Als er endlich einschlief, geisterten wirre Träume durch sein Hirn. Einäugige Ungeheuer und durchsichtige Gespenstergestalten drangen auf ihn ein, versuchten ihn zu fangen. Er lief und stolperte ständig. Wenn die Verfolger ganz nahe bei ihm waren und er schon glaubte, seine letzte Stunde habe geschlagen, veränderte sich das Bild plötzlich, und das Aussehen der Feinde wechselte. Mehrmals erwachte er schweißgebadet.
Endlich graute der Morgen. James fand gähnend, daß die Nacht doch noch zu kurz war. Er war todmüde.
Ein surrendes Elektromobil brachte sie zum Sitz des Xola.
Kein Pomp, keine Wachen, keine Zeremonien, keine Vorsichtsmaßnahmen – nichts. Gar nichts! Es war, als besuchten sie irgendeinen kleinen Beamten.
Die Einfachheit der Sitten beeindruckte die Erdenmenschen mehr, als es alles Trara hätte tun können. Lediglich vor der glatten Holztür des Herrschers klopfte Mla Ga an und wartete auf Antwort. Sie kam in Form eines dreimaligen Summens. Die Tür öffnete sich selbsttätig.
Xola 52 sah genauso aus wie Ker Ga, Kri La oder Mla Ga. Der einzige Unterschied lag vielleicht in den Augen. Es war James, der die unendliche Weisheit – und auch die Güte in ihnen erkannte und sofort liebte. Ja, liebte – das war das rechte Wort! Es war ihm, als sei dies sein Vater oder ein uralter Freund, zu dem man Vertrauen haben müsse und der nichts anderes im Sinne habe, als einem zu helfen.
Mla Ga legte beide Hände an die Stirn und deutete eine Verneigung an. Dann sagte er etwas in Xoanisch und schien seine Begleiter vorzustellen. Xola nickte lächelnd und erhob sich von seinem Stuhl, der hinter einem einfachen Tisch stand. Langsam und bedächtig kam er auf die Gruppe zu, sie aufmerksam musternd. Sein Mund begann zu reden; und noch nie zuvor war den Menschen die Sprache der Xoaner derart schön und melodisch erschienen wie gerade jetzt. Man fühlte die Reife eines jahrtausendealten Geschlechtes, ohne auch nur ein Wort zu verstehen.
Mla Ga fungierte als Dolmetscher.
„Menschen von der Erde. Ich heiße euch auf Xo 2 willkommen! Es ist das erste Mal in unserer Geschichte, daß Erdenmenschen freiwillig hierherkommen. Bisher geschah es nur darum, weil keine andere Wahl blieb. Mla Ga erzählte mir von euren Erlebnissen. Ich bedaure es außerordentlich, daß mein ungetreuer Kommandant, der den Befehl über das System Sol hat, so versagte. Ihm wird es die Erde zuzuschreiben haben, wenn die Entwicklung um zweieinhalb Jahrzehnte aufgehalten wird.“
„Um .. um 25 Jahre?“ fragte James ahnungsvoll.
„Ja, um 25 Jahre. Du bist der Mann, den Mla Ga mir mit Dr. Freema benannte? Ein sehr intelligenter Mann, wie er mir erzählte – und einer der Menschen, die ihren egozentrischen Lebensstandpunkt ablegten und an die Möglichkeit glaubten, nicht nur eine Ähre trage Frucht, nicht nur eine Welt sei bewohnt. Du hattest recht, Freema: Es gibt Tausende, die bewohnt sind. Die Erde und Xo 2 sind nur zwei Welten, nur zwei Sonnensysteme. Es gibt viele, so unendlich viele – und immer sehen die Lebewesen anders aus. Trotzdem sind sie alle miteinander verwandt. Welche Ähnlichkeit besteht denn zwischen dir und dem Fisch? Keine große, ganz recht. Und doch seid ihr verwandt und habt so viel gemeinsam: zwei Augen, vier Gliedmaßen. Natürlich, er hat vier Flossen, du zwei Arme und zwei Beine. Beide habt ihr ein Knochengerippe – es sieht sich sogar ähnlich. Beide atmet ihr, wenn auch mit verschiedenen Methoden. Eingeweide, Blut, Verdauung – ach, es ließe sich beliebig fortsetzen! Ja, das wollte ich sagen: So groß auch die Unterschiede manchmal zwischen den Geschöpfen der einzelnen Welten sind, man kann doch ihren gemeinsamen Ursprung erkennen.“
„Ihren gemeinsamen Ursprung?“
„Ja.“
„Das ist ungeheuerlich!“
„Nein! Es ist nur natürlich.“ Xola lächelte wissend. „Vielleicht ist es gerade deshalb so ungeheuerlich, weil es natürlich ist. Wir werden noch viel miteinander zu besprechen haben. – Ja, bitte?“
Seine Frage galt Anne, die etwas sagen wollte.
„Ich wüßte gerne … ich wollte nur mal fragen: Wie lange müssen wir auf eurer Welt bleiben? Wann
Weitere Kostenlose Bücher