Der Clown ohne Ort
schlafende Amaia, lässt den Blick über die terrassen- und antennenbewehrten Dächer Barcelonas zum Meer hin gleiten, frühstückt gegen zehn, denkt über Gott und die Welt nach, sporadisch arbeitet er nachmittags als Sprachlehrer. Abends wird gefeiert, in schäbigen, verqualmten Löchern, in denen sie sich gehenlassen können, leben vielleicht. Er schläft nur noch vier Stunden. Beim Philippiner unten an der Ecke haben sie sich zwei junge Kokosnüsse gekauft, die sie jetzt Richtung Mittelmeer blickend ausschlürfen. Am Abend würden sie mit Enzo und Freunden grillen, trinken, feiern.
Und jetzt, Jahre später, Lisa. Wieder Postkartenidyll, türkisfarbene Wasserspiele, sanfte Landbrise, Sonne brennt auf Sand und Füße, taufrische Cola und eine Flasche Rum zur Rechten, Limetten springen grasgrün ins Auge, fröhliche Grashüpfer, Schnitt. Kopf schwirrt, noch dröhnt es nicht, zu wenig Sprit getankt. Mofas spucken sich stinkend die Strandpromenade entlang, Gegenmelodie Wellenmonotonie, Kindergeschrei bricht Sprachengewirr, Schweißperlen auf Sommerbräune, Brenngläser, Feuerzeug Greifen, Rauchen.
Einsteigen, kühle Füße in schlingendem Sand, Hineinwerfen, Rausschwimmen, Tauchen, Stille. Toter Mann, Spielen, Treiben, Leere, Lichtspiele im Dunkel, Pinkeln, Weiterschwimmen, gegen die Strömung. Toter Mann, Spielen, Abstand, Winken, salziges Stillleben Inhalieren, Zurückschwimmen.
Aussteigen, auf sie Legen, kurzer Protest, der sich in Liebkosungen verliert. Frage, Antwort, Schlafen.
Der Clown o O
im Land der Jugend
Meine Eingangstür hat vor einiger Zeit den Geist aufgegeben. Vielleicht sind meine Hände daran schuld, vielleicht bin ich noch zu jung dafür, ich weiß es nicht. Seit einigen Tagen schon versuche ich, sie zu öffnen, doch auch jetzt stehe ich wieder dumpfbackig da, mit der kalten, abgebrochenen Klinke in der Hand – und entscheide wie üblich: Ich gehe ins Bad, duschen. Der warme Wasserstrahl lässt mich wissen, dass alles, wirklich alles, mindestens zwei Ursachen hat und damit alles, wirklich alles, unendlich viele. Da ich weitreichenden Erkenntnissen gerne folge, beende ich meine Duschphilosophiestunde. Als ich nach Abtrocknen und Anziehen zurück ins Bett steigen will, fällt mir plötzlich ein, dass ich etwas vergessen habe: mein vom Namen zum Nämlich gewandeltes Ich ist im Klo liegen geblieben, und widerspenstig, wie es ist, lässt es sich nur in einzelnen Stücken von der Innenseite der Schüssel ablesen. Ich inspiziere es gründlich, collagiere mir ein Bild von der Lage und weiß dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dass ich gestern zu viel getrunken habe. Beim Anblick der stinkenden Kloschüssel wird mir schlagartig klar, dass ich etwas essen muss, um meinen Magen nicht endgültig mit Alkohol und Zigaretten und Kotzen und Kaffee und Fertigfraß zu ruinieren. Dieser Entschluss wird vom Hirn mit Freude, vom tragenden Anteil aber mit einem unwiderstehlichen Drang zum Einknicken begrüßt: Ich habe gestern wohl eher viel zu viel getrunken. Ich bin schlaff, müde, bereit, mich wieder schlafen zu legen. Tatsächlich habe ich nicht einmal mehr Zeit, darüber nachzudenken.
Gegen halb neun Uhr abends erwache ich auf meinem Sofa. Alles wie gehabt. Der Nachhall eines wilden Traumes wabert mir im Hirn. Ich finde keine Hinweise auf die letzten Stunden, in denen ich mich irgendwie ins Wohnzimmer geschleppt haben muss. Die Zimmerdecke wirft immer noch ihr gleiches, von zu viel Nikotin und Staub leicht bräunlich anmutendes Weiß in meine schlaftrüben Augen – ein Teil der streng linear perforierten Oberfläche ist durch Wassereinwirkung dalísiert. Mit Mühe setze ich mich auf und greife zur Flasche – nichts schmeckt besser als sättigendes Plastikwasser, das vom Glutofen, genannt Plattenbau, einen Hitzeschlag erlitten hat. Wieder einen Tag verprasst. Mit dem falschen Freunde Fernsehen werde ich den Rest vernichten, ich schaue zum Gerät
(heißt: Augen aufreißen.
heißt: Kinnlade runterfahren.)
in meinem Wohnzimmer steht ein riesiges Wol-l-fschaf? Ich hauche und höre: um Gottes willhn.
Gottes Willhn schüttelt heulend sein Fell, hebt die Standarte, der Anus wallt und flatscht in drei ansehnlichen Schüben eine unansehnliche Menge Exkremente auf den glücklicherweise selbst ausgetretene Zigaretten schadlos überstehenden Laminatboden, um mich mit seiner großen, treuen Wol(l)fschaffresse, als der Scheiße folgendem Blickpunkt, stumm von seiner Harm- minus Harnlosigkeit zu
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