Der Club der Gerechten
wusste, nur tat, um sie zu beeindrucken. Scheißkerl – sie war schon zu lange auf der Straße, um sich von Muskeln und kleinem Hirn beeindrucken zu lassen. Sie wich und wankte nicht, und ihr Blick wurde nie unsicher. »Komm schon, was'n dabei?«
Der Mann zog die Lippen zurück und zeigte seine fauligen Zähne; die glasigen Augen verrieten ihr, dass er vor nicht allzu langer Zeit Drogen konsumiert haben musste. Sie fragte sich, ob Lester und Eddie wieder dealten – wenn sie es taten, würde Tillie sie hinauswerfen, so viel war sicher. Aber wenn der Mann high war, war er viel gefährlicher, als wenn er straight oder nur betrunken gewesen wäre. Endlich löste sein Blick sich von dem ihren, und seine Augen begannen ihren Körper abzutasten.
Taxierten sie.
Er sah sich auf dem Bahnsteig um, begutachtete die Menge, und sie straffte sich, denn sie wusste, wenn er richtig high war, könnte er sogar versuchen, direkt hier auf dem Bahnsteig über sie herzufallen. Bereit, sich mit einem Sprung zu retten, wenn er auf sie zukäme, versuchte sie es noch einmal: »Hör mal – ich soll ja nur rausfinden, ob sie versucht haben, hier rauszukommen. Was also soll ich sagen? Dass du zu high warst, um richtig aufzupassen?« Der Mann spannte die Muskeln an, und einen Moment glaubte Jinx, sie sei zu weit gegangen. Aber gleich darauf machte ihre Dreistigkeit sich bezahlt.
»Einen Joint«, knurrte der Mann. »Alles, was ich gehabt hab, war'n einziger beschissener Joint.« Aber noch während er sprach, strich er mit der rechten Hand über die kaum verschorften Einstiche an der Innenseite seines linken Armes.
»Also, was is damit?«, fragte Jinx. »Hast du sie gesehn oder nich?«
»Was geht'n dich das an, verdammt?«, entgegnete der Mann, doch die Aggression in seiner Stimme war einem leichten Jammerton gewichen.
»Du hast dein' Job, ich hab meinen. Also was is schon dabei, verdammt?« Jinx hatte wieder Oberwasser und hielt den Blick des Mannes von neuem fest.
»Entdeckt hab ich sie nich«, sagte er, und sein Blick schweifte zum U-Bahntunnel, als erwarte er, sie jeden Moment aus der Dunkelheit auftauchen zu sehen. Jinx wollte sich schon abwenden, um zu gehen, als der Mann fortfuhr: »Aber ich hab gehört, dass sie gestern am Fluss versucht haben, rauszukommen.«
Der Jammerton in seiner Stimme war auffälliger geworden, und Jinx verstand. Jetzt hatte er Angst vor ihr. Er wusste nicht, wer sie war oder für wen sie vielleicht arbeitete. Doch er wusste genau, was passieren würde, wenn er Mist baute – die Jäger würden hinter ihm her sein, und anstatt eine Geldquelle für die Droge zu haben, die er sich spritzte, würde er selbst durch die Tunnels fliehen müssen. Jinx drehte sich um und sah ihn wieder an. Plötzlich kam er ihr nicht annähernd so groß vor wie vor ein paar Minuten. Der harte, leere Ausdruck seiner Augen verriet jetzt eine Nervosität, die Jinx sagte, dass die Wirkung der Droge nachließ. Der Schweiß, der auf seiner Stirn ausbrach, bestätigte das.
»Als ob mich interessieren tät, was gestern war«, sagte sie, die Gelegenheit beim Schopf packend. »Ich will wissen, wo sie jetz sind.«
Die letzte durch Drogen aufgeputschte Selbstsicherheit des Mannes fiel in sich zusammen. »Ich weiß nix – sag dir doch, ich weiß gar nix nich.« Dann, als suche er nach etwas, das Jinx veranlassen könnte, etwas Gutes über ihn zu berichten – gleichgültig für wen sie arbeitete –, setzte er hinzu: »Heut Morgen haben sie Crazy Harry gefunden.«
Crazy Harry? Wer war das? Sie hatte nie von ihm gehört, doch sie sagte nichts, überzeugt, dass der Mann weiterreden würde, solange sie schwieg. Und tatsächlich, er begann von neuem. »Er war in seiner Bleibe, unten wo Shines Bande rumhängt. Jemand hat ihn gestern Nacht umgebracht.« Seine Stimme wurde leiser. »Der Typ, der's mir erzählt, hat gesagt, es hat so ausgesehn, als hätt'n jemand mit 'nem Gleisnagel abgestochen.« Der Mann bewegte den Kopf von einer Seite auf die andere, als könne er kaum glauben, was er gehört hatte. »Wer macht'n so was? Scheiße. Harry war verrückt, aber er hat keinem niemals nich was getan. Warum soll ihn dann einer abstechen?«
Jinx hörte schon nicht mehr zu.
Ein Gleisnagel. Der Typ, der mit Jeff Converse unterwegs war – Jagger hieß er –, hatte einen Gleisnagel gehabt.
»Wo hat er gewohnt?« fragte sie.
»Wer?«
»Crazy Harry. Du hast gesagt, in der Nähe von Shine. Wo is'n das?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Woher soll
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