Der Club der Gerechten
Taschenlampe blendete Jeff.
»Wer bist'n du ...«, begann die Stimme, erstickte aber in einem gurgelnden Laut, als Jagger dem Mann den Arm um den Hals legte und seinen Kopf mit einem Ruck zurück riss. Die Taschenlampe fiel klappernd auf den Betonboden, und Jagger zerrte den Mann durch die Tür, durch die er gekommen war. Jeff hob die Taschenlampe auf und folgte ihm.
Es war ein kleiner Raum, nur von einem Feuer erhellt, das in einer Tonne flackerte, die so verrostet war, dass der Rost das Metall stellenweise zerfressen hatte. In der Decke gab es eine Art Schacht, der als Kamin diente, und der Luftzug von der offenen Tür reichte aus, dass der Raum sich nicht mit schwarzem Rauch füllen konnte. Eine zerbeulte Plastikkiste war das einzige Möbelstück. In einer Ecke aufgestapelte dreckige Decken schienen das Bett des Mannes zu sein, und zum Kochen diente ein alter Kessel, der an einem behelfsmäßigen Dreifuß über das Feuer gehängt werden konnte. Der Kessel dampfte, daher vermutete Jeff, dass der Mann den Dreifuß eben vom Feuer weggezogen hatte. Der Geruch, der aus dem Kessel aufstieg, war jedoch bei weitem nicht so appetitlich wie der aus Tillies großem Topf.
Jagger stieß den Mann so heftig von sich, dass er gegen die Wand prallte. Er sackte zusammen und blieb auf dem Boden hocken, zog die Knie vor die Brust und schaute ängstlich zu ihnen auf. Seine Blicke huschten verstohlen zwischen ihnen hin und her und richteten sich schließlich auf einen Punkt hinter ihnen. Jeff drehte sich um. In der Ecke lag ein großer Plastiksack, überquellend von zerlumpten Kleidungsstücken, wie alle Obdachlosen sie mit sich herumschleppten.
»Is meiner«, sagte der Mann, und seine Stimme zitterte vor Angst. »Nix drin. Aber er is meiner, ihr könnt'n nich haben.«
Jagger kniff die Augen zusammen. »Schau nach, was drin is«, sagte er zu Jeff, und seine Augen ließen den Mann nicht los.
»Nein!«, kreischte der. Er raffte sich auf, torkelte schlingernd wie ein Betrunkener in die Ecke und legte schützend die Arme um den Sack. »Ihr könnt'n nich kriegn. Das is mein Schatz.«
»Muss ja was drin sein, wenn er so winselt«, sagte Jagger. Er griff nach dem Mann, riss seine Arme von dem Sack los und zog ihn weg. »Schau nach«, sagte er noch einmal zu Jeff.
Jeff zögerte, aber der Ausdruck in Jaggers Augen bedeutete ihm, dass es vergeblich wäre zu widersprechen. Er ging in die Hocke und fing an den Inhalt des Sackes zu sortieren. Ein paar Kleidungsstücke fielen auf den Boden, und der Mann, den Jaggers Arm an der Wand festnagelte, jammerte, als sei er mit einem Messer gestochen worden. Noch mehr Kleidungsstücke kamen zum Vorschein, und dann fand Jeff darunter versteckt, was der Mann als seinen »Schatz« bezeichnet hatte.
Handtaschen.
Ein halbes Dutzend, die meisten kleine Unterarmtaschen aus Leder, wie sie Frauen eines gewissen Alters am Abend tragen. Taschen, die man nicht festhalten konnte, wenn jemand sie einem entreißen wollte.
»Meins!«, heulte der Mann, als sie aus dem Sack auf den Boden rutschten. »Ich hab sie 'funden.« Seine Augen füllten sich mit Tränen und er begann zu schluchzen, als Jeff anfing, die Taschen zu durchsuchen.
In der dritten fand Jeff ein Mobiltelefon. Im ersten Moment konnte er es nur anstarren, doch als ihm klar wurde, was es vielleicht für Möglichkeiten bot, begannen seine Hände zu zittern. Langsam nahm er es aus der Tasche, als könnte es vor seinen Augen verschwinden wie eine Fata Morgana in der Wüste.
Er umschloss es mit den Fingern und nahm es aus dem schwarzen Lederetui, in dem es gesteckt hatte.
Leer, dachte er. Der Akku muss längst leer sein.
Er klappte es auf und drückte auf den Einschaltknopf. Zu seinem größten Erstaunen leuchtete das Display.
Der rechte Balken zeigt nur noch einen Strich.
Aber es gab hier keine Verbindung zum Netz.
Jeff schaltete das Telefon aus und klappte es zu, doch anstatt es in die Tasche zu stecken, starrte er es an.
Mit dem Telefon war es ihnen möglich, Hilfe zu erreichen. Wenn sie nur einen Platz fänden, wo sie Anschluss an ein Netz bekämen ...
Und wenn der Akku nicht leer wurde ...
Am liebsten wäre er sofort losgezogen und wieder durch das Labyrinth der Tunnel gekrochen, um einen Platz zu finden, von dem aus man mit einem Mobiltelefon telefonieren konnte.
Ein U-Bahnhof? Er war sicher, gehört zu haben, wie jemand sich beklagte, dass das Empfangssignal in den Stationen sehr schwach war, aber wenn man überhaupt ein Signal bekam
Weitere Kostenlose Bücher