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Der Club der Gerechten

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Titel: Der Club der Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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kommst du zu spät in die Schule!«
    Vorsichtig beugte Robby sich vor, damit er ja nichts auf sein neues Hemd verschüttete – ein richtig neues Hemd, kein schon getragenes aus einem Trödlerladen –, und aß seine Frühstücksflocken auf. Dann schielte er verlangend auf den abgestoßenen Kaffeebecher, den Tillie vor sich stehen hatte.
    »Denk nich mal dran«, sagte Tillie, ohne von der zwei Tage alten Zeitung aufzublicken, die sie las. »Willst du dir 'ne Wachstumsstörung holen?«
    »Ach, komm schon, Tillie«, bettelte Robby. »Viele Kids trinken Kaffee. Bringen welchen in Thermosflaschen in die Schule mit und ...«
    »Und du bist nich viele Kids«, unterbrach ihn Tillie und versuchte ihn mit einem finsteren Blick festzunageln, doch stattdessen wurde ein Zwinkern daraus. »Ich sag dir was – einen Schluck und keine Widerrede mehr. Dann marsch in die Schule!«
    Robby riss ungläubig die Augen auf. »Wirklich?«, fragte er atemlos.
    Ehrfürchtig betrachtete er den Becher, fast überzeugt, jemand würde ihn ihm entweder wegnehmen oder ihm in der letzten Sekunde eine runterhauen.
    Oder beides.
    Tillie erinnerte sich noch an den Abend, an dem Jinx ihn mitgebracht hatte. Er war so verängstigt gewesen, dass sie die ganze Nacht wach geblieben war, neben seinem Bett gesessen und seine Hand gehalten hatte. Lange hatte er geglaubt, er werde sich mutterseelenallein auf der Straße wiederfinden, hatte sich geweigert, irgendwohin zu gehen, und wenn ihm jemand nahe kam, war er zusammengezuckt, als erwarte er Schläge. Tillie begann zu vermuten, dass seine Eltern ihm letztlich etwas Gutes getan hatten, als sie ihn verließen. Auch in die Schule zu gehen hatte er sich zunächst geweigert.
    Tillie hatte ihn nur überreden können, sich auf das Risiko einzulassen, weil sie ihm versprach, jemand aus dem »Käfig« werde ihn immer vor der Schule erwarten. An diesem Tag hatte sich ein halbes Dutzend Leute abgewechselt, und schließlich hatte die Schule bei der Polizei angerufen und sich beschwert, weil so viele Obdachlose dort herumlungerten. Aber Robby hatte den Tag überlebt und war sicher in den Käfig zurückgekehrt; bald reichte es, wenn jemand ihn bis zur letzten Seitenstraße vor der Schule begleitete und nach dem Unterricht an derselben Stelle auf ihn wartete. Alle im Käfig wussten, dass sie sich großen Ärger einhandelten, wenn Robby auch nur eine Minute lang allein gelassen wurde.
    Langsam, ganz langsam fasste Robby wieder Vertrauen zu den Menschen. Jetzt beäugte er vorsichtig den dampfenden Kaffeebecher, und Tillie schob ihn ein wenig näher zu ihm. »Es ist okay, ich beiß dich schon nich. Aber er is heiß, und vielleicht schmeckt er dir gar nich.«
    Robby nahm den Becher und hielt ihn an die Lippen. Als die Flüssigkeit seine Zunge berührte, riss er die Augen auf und stellte den Becher so schnell auf den Tisch zurück, dass der Kaffee fast überschwappte. »Bäh! Wer trinkt'n so was?«
    »Du nich, schätz ich«, stellte Tillie fest und zog den Becher wieder zu sich heran. »Und jetzt verschwinde – du kommst zu spät. Jinx, mach was mit dem Jungen.«
    Aber Jinx, die Robby gegenüber saß, hörte nicht zu. Ihre Blicke hefteten sich auf die zerfledderte und fleckige Zeitung, die nur halb ausgebreitet vor Tillie lag. Ganz besonders interessierte sie sich für ein Bild, das vorher von Tillies Kaffeebecher verdeckt worden war.
    Es war ein Bild von Jeff Converse.
    »Kann ich das mal sehn?«, fragte sie und zog Tillie die Zeitung weg.
    »Darf ich das sehn«, korrigierte Tillie, aber Jinx hörte sie kaum, während sie rasch den Artikel überflog:
     
    ... kam ums Leben, als ein gestohlener Laster das Fahrzeug des Department of Correction rammte, in dem er transportiert wurde …
     
    ... wurde gestern verurteilt, nachdem man ihn wegen versuchter Vergewaltigung und Mord schuldig gesprochen hatte ...
     
    ... das Opfer Cynthia Allen, nach Mr. Converse' Überfall an den Rollstuhl gefesselt, verzichtete auf einen Kommentar...
     
    ... festgenommen in der 110 th Street MTA Station ...
     
    Plötzlich hatte Jinx wieder die Frau vor Augen, die sie gestern Abend gesehen hatte.
    Die Frau im Rollstuhl.
    Die Frau, die von Bobby Gomez überfallen worden war. Und sie, Jinx, hatte gesehen, dass jemand auf die beiden zurannte.
    Das war in der 110 th Street Station gewesen!
    »Das stimmt nicht«, sagte sie, ohne zu merken, dass sie laut sprach. »Er war's nicht.«
    »Wie meinst du das – er war's nicht?«, entgegnete Tillie. »Klar war

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