Der Club der Lust
Zugtoilette in den Sinn. Steven Smalls gequältes Gesicht, das während seines Abgangs in stiller Ekstase zuckte. Und auch ihr eigener Anblick in dem kaputten Spiegel – die Gesichtszüge genauso lustverzerrt wie seine und die Faust im Mund, um sich beim Orgasmus vom Schreien und Fluchen abzuhalten.
«Du hast uns beobachtet, stimmt’s?», fragte Patti und stand auf, um die Gläser aufzufüllen. «Du bist die Treppe hochgeschlichen und hast mir und Dyson beim Sex zugesehen …»
«So ein Unsinn!» Natalie war jetzt noch wütender und schwitzte immer mehr. Als dann auch noch der herrliche Kimono um PattisBeine flatterte und sie ihre Schamhaare sehen konnte, wurde sie sogar noch geiler.
«Für wen hältst du mich eigentlich?»
«Für eine investigative Journalistin, Schwesterchen. Und dafür halte ich dich nicht nur, das bist du», sagte Patti selbstgefällig, setzte sich wieder und gewährte Natalie einen erneuten Blick auf ihren nackten Körper, als sie den Kimono richtete. «Aber diesmal wird es dir nichts bringen. Dyson ist nicht berühmt. Er ist nur mein Untermieter. Oh, und er putzt meine Fenster. So habe ich ihn auch kennen gelernt.»
«Du kannst mich mal, Patti», sagte Natalie grimmig und nahm einen Schluck von ihrem Drink, an dem sie sich fast verschluckte.
Patti sagte nichts. Aber schließlich hatte sie ja auch gewonnen. Sie musste nichts sagen.
Nach ein paar Augenblicken gemeinsamen Schweigens brach Natalie schließlich das Eis.
«Gott, ich bin total fertig. Und ich weiß gar nicht, weshalb. Sonst bin ich die ganze Zeit am Rumlaufen, mache tausend Dinge auf einmal und arbeite bis in die Puppen. Heute habe ich doch nur auf meinem Hintern im Zug gesessen.»
Das stimmte zwar nicht so ganz, aber auch wenn Patti ihr Sexleben plötzlich wie ein offenes Buch darlegte, war Natalie noch nicht danach, irgendwelche eigenen Geständnisse abzulegen.
«Reisen strengt immer an», kommentierte Patti mild. «Möchtest du vielleicht was essen?» Auf dem Weg zur Tür flatterte ihr Kimono wieder auf. «Oder hattest du schon was im Zug?»
Wenn die wüsste.
Auf einmal schrillten bei Natalie die Alarmglocken: Patti grinste schon wieder. Und zwar merkwürdig wissend – so als wäre ihr klar, was in der engen Zugtoilette geschehen war. Aber wie sollte sie davon erfahren haben? Es war ausgeschlossen, dass sie davon wusste.
Jetzt hör schon auf, so paranoid zu sein, sagte Natalie sich selbst. Und an Patti gerichtet: «Nein, seit dem Frühstück nicht mehr.» Sie stand auf und versuchte ihre Schwester so normal wie möglich anzulächeln. «Aber bloß keine Umstände. Ich nehme ein Sandwich oder so was. Was du gerade da hast. Ich komme mit und helfe dir.»
Voller Freude, zur Abwechslung mal etwas richtig Banales wie Broteschmieren und Teekochen tun zu können, folgte Natalie dem Windschatten von Pattis Kimono über den Flur in die Küche.
«Seit wann hast du eigentlich eine Katze?», fragte sie, als ihr plötzlich wieder die unerwartete Begrüßung durch das Haustier einfiel.
Später, als Patti ausgegangen war und ihre Schwester nur mit Ozzy, dem Kater, als Gesellschaft zurückgelassen hatte, wünschte Natalie, sie hätte sie begleitet. Patti hatte sie geradezu bekniet mitzukommen, doch Natalie meinte hinter dem Angebot auch eine gewisse Zurückhaltung zu spüren. Als freute ihre Schwester sich auf irgendetwas, das sie eigentlich lieber für sich behalten würde.
Natalies Vermutungen wurden durch einen Telefonanruf noch verstärkt. Irgendwann hatte ein Handy geklingelt, das Patti aus ihrem Nähkorb fischte, um damit peinlich berührt und eine Entschuldigung murmelnd ins Nebenzimmer zu verschwinden.
Dass ihre Schwester ein Handy brauchte, war schon verdächtig genug, aber Natalie nahm an, dass sie es wohl zur Kontaktpflege mit ihren Kunden nutzte, wenn sie unterwegs war. Doch wenn das der Fall war, wieso tat sie dann so übertrieben geheimnisvoll?
Pattis Outfit für ihre Verabredung hatte ihr einen weiteren Schock bereitet.
Bei diesem Anblick war ihr sofort das Wort «Nutte» in den Sinn gekommen. Patti trug etwas, das Natalie noch nie zuvoran ihrer Schwester gesehen hatte – und womit sie auch nie im Leben gerechnet hätte. Seit wann trug ihre Schwester – die bei der Wahl ihrer Kleidung lieber stets vermieden hatte, Aufmerksamkeit zu erregen – hohe schwarze Lackschuhe, eng geschnittene Lederminiröcke und knappe Bodys, die ihre üppigen Brüste betonten?
Als Natalie ihrem Erstaunen Ausdruck verliehen
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