Der Club der Lust
Körperlichkeiten mit Patti auszutauschen. Sie hatte immer das Gefühl, als müsse sie sich zurückhalten und dürfte nicht zu liebevoll sein.
«Es ist … mal was anderes», antwortete sie und wandte sich nach der Umarmung erneut dem Kleid zu. Sie war bereit, jedes Thema aufzugreifen, um sich von der Tatsache abzulenken, dass Patti unter dem wunderschönen Morgenmantel nackt und ihr kurviger Körper immer noch warm und glühend von den Zuwendungen ihres Fensterputzers war. Natalie fragte sich, wo der energiegeladene und phantasievolle Dyson wohl steckte. Da hörte sie draußen einen Motor anspringen, der mit großer Wahrscheinlichkeit zu seinem Van gehörte.
Sie musste sich förmlich auf die Zunge beißen, um die Frage zu vermeiden, die ihr auf den Nägeln brannte. Stattdessen glitten ihre Finger über den edlen silberblauen Stoff des übergroßen Kleides. «Mein Gott, Patti, für wen schneiderst du das Ding bloß? Für eine Dragqueen?»
Es entstand eine kurze Pause, in der Patti breit grinste und ihr zerzaustes honigbraunes Haar hinter die Ohren klemmte. Die Bewegung sorgte dafür, dass der pinkfarbene Kimono in der Mitte aufsprang und Natalie einen kurzen Blick auf die rechte Brustwarze ihrer Schwester erhaschen konnte.
«Ja, in der Tat», erwiderte Patti schließlich. «Das sind alles Outfits für eine Dragqueen. Ihr – oder sollte ich sagen: sein – Name ist Stella, und sie ist meine beste Kundin.»
«Abgefahren. Wie zum Teufel hast du so jemanden denn kennen gelernt?» Aus Natalie sprach echte Neugier, und sie war aufrichtig verblüfft. Es war zwar gut zehn Jahre her, dass sie längere Zeit in Redwych verbracht hatte, aber es schien doch der letzte Ort auf Erden zu sein, an dem es Platz für eine Dragszene gab. Und selbst wenn es eine geben sollte, war Patti die Letzte, von der sie erwartet hätte, dass sie damit zu tun hatte.
«Sie …
er
hat auf meine Anzeige in der Zeitung reagiert. Sie wollte ein paar neue Kostüme. Und da man solche Dinge nicht unbedingt bei C&A oder H&M bekommt, hat sie mich gebeten, ihr die Kleider auf den Leib zu schneidern», antwortete Patti mit einem Schulterzucken, das ihre Brüste unter der seidigen Verhüllung hüpfen ließ. Sie deutete auf Natalies Whiskyglas – eindeutig ein Versuch, das Thema zu wechseln. «Wie ich sehe, hast du schon ohne mich angefangen. Soll ich dir nachschenken?»
Natalie nickte, und Patti füllte erst das Glas ihrer Schwester und dann auch eines für sich auf. Noch eine Premiere, denn Natalie hatte ihre Schwester so gut wie nie vor Einbruch der Dunkelheit trinken sehen.
Die nächsten paar Minuten waren heikel. Die beiden tauschten die üblichen Fragen von Schwestern aus, die sich eine Zeit lang nicht gesehen hatten. Natalie fühlte sich immer unwohler in Pattis Gegenwart, denn es war eindeutig ihre Schwester, die mit der Situation besser zurechtkam.
Ich
sollte die Coole sein, dachte Natalie. Ich wohne in London. Ich habe die Karriere und die soziale Infrastruktur. Und da sitzt sie nun, lümmelt sich praktisch nackt im Sessel und hat gerade wilden, versauten Sex gehabt … Verdammt nochmal, ich kann den scharfen Fensterputzer praktisch noch an ihr riechen!
Irgendwann hatte Natalie genug.
«Patti, wer, zum Teufel, war der Mann, mit dem du da gerade gefickt hast?»
«Wie bitte?» Patti lachte unbeeindruckt, als sie Natalies Frage mit einer Gegenfrage beantwortete.
«Der Kerl, der gerade weggefahren ist. Der Typ, der von oben kam. Der Mann, mit dem du Sex gehabt hast.» Natalie musste zu ihrem Entsetzen feststellen, dass sie rot wurde und unter ihrem schwarzen Blazer zu schwitzen begann.
«Woher willst du denn wissen, dass ich Sex mit ihm hatte?»
Mist! Es gab nur eine Möglichkeit, wieso sie das wissen konnte, und das hieß, dass Natalie zugeben musste, dass sie die beiden beobachtet hatte.
«Ich hab dich brüllen gehört. Für mich klang das wie Sex.»
«Es hätte doch auch sein können, dass er mich überfallen oder umbringen wollte.» Patti grinste von einem Ohr zum anderen. Natalie hätte ihr eine reinhauen können – so wie sie es als Kind öfter getan hatten, wenn sie sich über Dinge gestritten hatten, die sie sich teilen sollten. «Wenn du mich brüllen gehört hast, wieso bist du dann nicht raufgekommen und hast versucht, mir zu helfen?»
«Jetzt red keinen Scheiß, Patti. Ich weiß, wie Sex klingt. Ich hatte in meinem Leben auch schon einigen Grund zum Brüllen.»
Einen kurzen Moment lang kam ihr das Bild von der
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