Der Club der Lust
Widersacherin war kurz vorm Explodieren, aber die Journalistin blieb standhaft. «Sagen Sie ihm einfach, Natalie Croft möchte ihn sprechen, und dass ich Patti Simmons Schwester bin. Dann kommt er sofort angerannt – das garantiere ich.» Dabei verkniff sie sich ein nonchalantes Betrachten ihrer Fingernägel.
Das Ganze war ein totaler Bluff. Alex Hendry war wahrscheinlich ein rüpelhafter Provinz-Schreiberling, der «Wer zum Geier?» fragen und diesem Schlachtross hier sagen würde, sie solle Natalie rauswerfen.
Doch so, wie es aussah, funktionierte ihr Plan.
Die Empfangsdame murmelte unwillig etwas vor sich hin und machte sich an die recht altmodisch aussehende Vermittlungsanlage, gab Natalies Nachricht weiter und versicherte der Besucherin dann, dass Mr. Hendry gleich herunterkommen würde. So wie ihre aufgemalten Augenbrauen nach oben schossen,war die Rezeptionistin genauso überrascht darüber wie Natalie selbst.
Die Journalistin überbrückte die Wartezeit mit einer kleinen Runde durch das winzige, langweilige Foyer. Der kleine Sieg stimmte sie auf geradezu alberne Weise fröhlich. Ich weiß gar nicht, wieso ich so triumphiere. Wahrscheinlich ist der Kerl bloß ein schmieriger, kleiner Widerling mit Mundgeruch. Und wenn er auch nur im Ansatz ein echter Journalist wäre, hätte er selbst schon vor Ewigkeiten einen Artikel über Daumery geschrieben.
Doch als Alex Hendry schließlich in der Eingangshalle erschien, war Natalies Überraschung noch größer als beim Gelingen ihrer kleinen List.
«Hallo, Natalie», sagte eine warme, amüsierte Stimme, als ein Mann hinter dem Tresen hervortrat, der aussah, als wäre er direkt dem
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entsprungen. Alex Hendrys schicker, moderner Anzug, das Seidenhemd und die sorgfältig gestylten Haare waren Lichtjahre von ihrer Vorstellung eines Mannes in zu enger Lederjacke und Polyesterhosen entfernt. Völlig entgegen ihren Erwartungen und ihren Wünschen fühlte sie sich unmittelbar zu ihm hingezogen.
«Patti hat Sie mir schon angekündigt», sagte Alex und führte sie in Richtung Ausgang. «Wollen wir vielleicht etwas trinken gehen? Mein Lieblings-Pub ist gleich um die Ecke.»
Natalie nickte verblüfft. Sie war leicht verärgert, dass sie kurzfristig die Initiative, ja sogar die Fähigkeit zu sprechen eingebüßt hatte. Doch der giftige, eifersüchtige Blick der Rezeptionistin machte diese Schwäche gleich wieder wett.
Während sie Alex in die Altstadt folgte, kehrte ihr Wahrnehmungsvermögen langsam wieder zurück. Heute Morgen hatte sie noch versucht, den Mann persönlich zu erreichen, ihn aber weder an seinem Schreibtisch noch auf seinem Handy erwischt. Wie kam es nur, dass Patti scheinbar in direktem Kontakt zu ihm stand?
«Ich habe schon versucht, Sie telefonisch zu erreichen», sagte sie, als Alex sie ins
Curlew
führte. Sie standen in einer uralten Kneipe mit niedriger, unebener Decke und schwarz lackierten Holzdielen, die so ganz und gar nicht der Einrichtung der Gastronomie-Ketten entsprachen, die sich sonst gerne an solchen Orten einnisteten. «Haben Sie die Nachricht nicht gehört, die ich Ihnen hinterlassen habe?»
«Leider nicht», erwiderte Alex und wandte sich zu ihr um. Er hatte grüne Augen, die selbst in dem düsteren Licht lebhaft wirkten. Ihr strahlendes Blitzen schien sein gutes, spitzbübisches Aussehen noch zu verstärken. Der Journalist hatte etwas leicht Keltisches, vielleicht auch Spanisches an sich – blasse Haut und glänzendes schwarzes Haar. Natalie konnte sich vorstellen, dass er entweder baskische oder katalanische Vorfahren hatte.
«Das Telefon blinkt bei mir nur», sagte er mit entwaffnendem Grinsen. «Einige Anrufe nehme ich an, andere wieder nicht. Ihrer muss wohl zu den letzteren gehört haben. Tut mir Leid.» Sein Lächeln wurde breiter. «Aber wenigstens sind wir jetzt zusammengekommen.» Er leckte sich die Lippen. «Ich hoffe, die Sache war es wert.»
Du schlauer, kleiner Scheißer!, dachte Natalie. «Das wollen wir hoffen. Aber dafür müssen Sie auch die erste Runde übernehmen.»
Alex Hendry lächelte immer noch, als sie kurze Zeit später beide ein Bier tranken und Natalie ihr Vorhaben erklärte. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass er sich über sie lustig machte.
«Meinen Sie nicht, dass ich bereits Bescheid wüsste, wenn es irgendwas Konkretes über den Typen gäbe?», fragte er und bestätigte damit Natalies Ahnungen. «Ich hasse Daumery. Er ist ein scheinheiliger Mistkerl. Es käme mir sehr gelegen, wenn
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