Der Club der Lust
hinterherzulaufen, die Patti ihr da vor die Nase hielt.
«Nicht mal der dümmste Verschwörer würde sich bei der Ausgabe oder Annahme von Bestechungsgeldern filmen lassen. Das ist einfach lächerlich!»
«Aber wenn er nun nicht wüsste, dass er dabei gefilmt wird …?» Patti griff nach einem Videoband in einer schlichten weißen Hülle, das auf einem Haufen anderer Kassetten neben ihr lag. «Dieser Ort wird von allen möglichen Leuten für private Treffen genutzt. Diskretion ist zwar gewährleistet, aber keiner von denen ahnt, dass Stella den ganzen Raum mit Kameras überwachen lässt. Ich wusste das auch nicht, bis sie mir ein Videoband von mir selbst gezeigt hat.»
Natalies Herz machte einen Riesensatz – nicht nur bei dem Gedanken an die Sextapes von Patti, sondern auch bei der Möglichkeit, dass Stella vielleicht auch ihre eigene Garderobe und die kleine Toilette mit Kameras überwachen ließ. Vielleicht würde sie anstelle der Bilder von geldgierigen Stadträten und ihren Machenschaften mit Daumery jetzt ja Bilder von sich selbst zu sehen bekommen? Es lag Natalie auf der Zunge, Patti direkt zu fragen, aber irgendwie brachte sie es dann doch nicht über die Lippen. Irgendetwas in Pattis wissenden Augen sagte ihr, dass ihre schlimmsten Befürchtungen sogar stimmen könnten.
«Willst du es nun sehen oder nicht?», fragte Patti und hielt das Videoband hoch, als wollte sie damit werfen.
«Was? Nur das eine?»
«Stella denkt voraus», erklärte Patti, stellte den Fernseher an und schob das Tape in den Videorecorder. «Sie hat die aussagekräftigsten Höhepunkte zusammengeschnitten. Alles in schöne kleine Häppchen aufgeteilt für den Fall, dass sie in bestimmten Kreisen mal ein kleines Druckmittel braucht.»
Natalie wurde wieder misstrauisch. «Weiß Stella eigentlich, dassdu mir das hier zeigst? Wenn sie die Bänder schon länger bereitliegen hat, will sie doch sicher nicht, dass jemand sie sieht. Am allerwenigsten eine Journalistin, die ihre Pläne durchkreuzen könnte!»
Patti blickte ihre Schwester mit sturer Miene und schmalen Lippen an. «Hör zu, willst du, oder willst du nicht? Ich gehe hier ein Risiko für dich ein, das ist dir doch wohl klar, oder?»
Ach Patti, wenn ich dir doch nur vertrauen würde, dachte Natalie und spürte, wie sie immer mehr in eine Zwickmühle geriet. Es konnte ja wirklich sein, dass ihre Schwester ein Risiko für sie einging und eine Freundschaft, einen guten Kontakt oder auch einen Kunden aufs Spiel setzte. Aber auf der anderen Seite könnte die Schwester auch Teil eines groß angelegten und bisher undurchschaubaren Plans sein, Natalie in die Enge zu treiben. Noch immer sah sie die starren, mascarageschwärzten Augen von Stella Fontayne vor sich, die neulich Abend genauestens ihre Reaktionen beobachtet hatten. Dem prüfenden Blick, ob sie nun wirklich das Leben eines offenen Großstadtmenschen führte, war die unmittelbare Einstufung als naives Küken gefolgt, das von nichts eine Ahnung hatte.
Was soll’s? Stell den Kasten schon an. Ich habe sowieso schon genug Material für meine Story, dachte Natalie. Das hier ist nur ein Bonus, ein kleiner Luxus. Ich tue jetzt einfach mal, was ich will. Und ich bin bereit für alles, was du mir vorsetzen kannst.
«Entschuldige», sagte Natalie mit gespielter Zerknirschtheit, um Patti wieder etwas milder zu stimmen. «Bitte spiel das Band ab. Der Inhalt könnte mir sehr von Nutzen sein.»
«Na gut», stimmte Patti leicht zickig zu und drückte auf die Starttaste. Nach einem kurzen Rauschen tauchte schließlich ein Bild auf dem Schirm auf.
Was jetzt folgte, war wohl das schmutzigste Video, das Natalie jemals gesehen hatte. Zwar waren eine ganze Menge Schimpfwörter zu hören, ansonsten war das Video aber völlig sex- undgewaltfrei. Diese miesen Typen – wie konnte man nur so selbstgefällig sein und glauben, über jeden zivilen oder moralischen Verhaltenskodex erhaben zu sein? Die Ausschnitte waren alle sorgfältig mit Uhrzeit und Datum versehen. Und natürlich stand auf fast allen Bildern Daumery im Mittelpunkt, während er hohe Geldsummen und auch andere Werte wie Aktienzertifikate an diverse Mitglieder des Stadtrats von Redwych übergab. Neben dem Bürgermeister und Stadtrat Peat erkannte Natalie noch diverse andere Beteiligte, die ihr aus den Akten und Ausschnitten vertraut waren, die Alex ihr geschickt hatte. Die Arroganz der Beteiligten verschlug ihr die Sprache. Diese Menschen hielten sich offensichtlich für kleine
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