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Der Club der unsichtbaren Gelehrten

Der Club der unsichtbaren Gelehrten

Titel: Der Club der unsichtbaren Gelehrten
Autoren: Terry Pratchett
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seine Arbeit. Ein guter Tropfer 5 drehte die Kerze beim Tropfen nie, weil Kerzen im Wind auch nie in mehr als eine Richtung tropften, und zwar immer vom Zug weg. Kein Wunder, dass den Zauberern die Kerzen, die er machte, besonders gut gefielen; eine Kerze, die allem Anschein nach in alle Richtungen gleichzeitig getropft hatte, hatte etwas Befremdliches an sich. So eine Kerze konnte einen richtig aus dem Tritt bringen.
    Er arbeitete schnell und legte die neunzehnte oder zwanzigste vorbildlich getropfte Kerze in den Lieferkorb, als er das Scheppern einer Dose hörte, die über den Steinboden des Korridors gerollt wurde.
    »Guten Morgen, Meister Trev«, sagte er ohne aufzuschauen. Kurz darauf kullerte eine leere Blechbüchse direkt vor ihn und kam aufrecht zum Stehen, ganz lässig, wie ein Puzzleteil, das sich in die eigens für es bestimmte Stelle fügt.
    »Woher hast du gewusst, dass ich es bin, Gobbo?«
    »Ihr Leitmotiv, Herr Trev. Und ich würde Nutt vorziehen, ich danke Ihnen.«
    »Was für’n Motiv denn? Was meinst du?«, sagte die Stimme hinter ihm.
    »Dabei handelt es sich um ein stets wiederholtes musikalisches Thema oder einen Akkord, der mit einer bestimmten Person oder einem bestimmten Ort in Verbindung gebracht wird«, sagte Nutt und legte vorsichtig zwei weitere noch warme Kerzen in den Korb. »Ich bezog mich auf Ihre Vorliebe, gegen eine Blechbüchse zu treten. Sie wirken so frohgemut. Wie war Ihr Tag?«
    »Du … was?«
    »Ist Fortuna gestern Abend Düstergut hold gewesen?«
    »Was quatschst du da eigentlich?«
    Nutt wich noch ein Stück zurück. Es konnte rasch gefährlich werden, wenn man nicht dazugehörte, nicht hilfsbereit oder nicht vorsichtig war. »Hat Ihre Mannschaft gewonnen, Meister Trev?«
    »Ach was! Wieder so’n torloses Unentschieden. Die reinste Zeitverschwendung, aber echt. Aber es war ja nur’n Freundschaftsspiel. Kein einziger Toter.« Trevs Blick fiel auf die vollen Körbe realistisch getropfter Kerzen.
    »Da hast du ja ’ne verdammte Scheißmenge von dem Zeug gemacht, Junge«, sagte er freundlich.
    Nutt zögerte wieder, dann sagte er sehr vorsichtig: »Dann sind Sie also trotz des skatologischen Ausdrucks mit der großen, aber nicht näher spezifizierten Anzahl von Kerzen zufrieden, die ich für Sie getropft habe?«
    »Ja, leck mich! Was soll das jetzt wieder heißen, Gobbo?«
    Nutt suchte erschrocken nach einer annehmbaren Übersetzung. »Habbich gut gemacht?«
    Trev klopfte ihm auf den Rücken. »Ja! Gut gemacht! Respekt! Aber du musst noch lernen, ordentlich zu reden! Bei uns draußen würdste kaum fünf Minuten durchstehen. Wahrscheinlich würdste gleich’n Backstein abkriegen, könnt’ ich mir denken.«
    »So was dürfte sich durchaus schon mal … äh, ich meine, soll schomma vorgekomm’ sein, so was«, sagte Nutt hoch konzentriert.
    »Ich weiß auch nich, wieso die Leute immer so ein Geschiss machen«, sagte Trev großzügig. »Da gab’s früher mal diese großen Schlachten. Na und? Is ja schon lange her, schon fast ewig, stimmt’s, und es is ja nich so, als wären die Trolle und die Zwerge auch nur ’ne Unze besser gewesen als deine Leute, stimmt’s? Ich meine die Goblins. Worum ging’s da überhaupt? Ihr habt doch nur ein paar Kehlen durchgeschnitten und Zeugs geklaut, richtig? Das gilt in manchen Straßen hier bei uns ja fast noch als zivilisiert.«
    Wahrscheinlich, dachte Nutt. Damals, als der Dunkle Krieg Fern-Überwald erfasst hatte, konnte niemand neutral bleiben. Vielleicht hatten sich dort wahrhaft üble Dinge ereignet, aber offensichtlich – und das war schon mehr als eigenartig – stets nur auf der anderen Seite. Vielleicht war das Böse ansteckend. Irgendwie standen die Goblins bei all den verwirrenden Geschichten, die gesungen oder aufgeschrieben wurden, letztendlich immer als widerwärtige, feige kleine Dreckskerle da, die ihr eigenes Ohrenschmalz sammelten und immer auf der anderen Seite standen. Ach ja, und als dann die Zeit kam, um die Geschichte seines Volkes niederzuschreiben, hatten seine Leute nicht einmal einen Schreibstift.
    Lächle die Leute an. Schließe sie in dein Herz. Sei hilfsbereit. Erweise dich als wertvoll. Er hatte Trev ins Herz geschlossen. Er machte das mit dem Leute-Mögen sehr gut. Wenn man andere Leute eindeutig mochte, standen die Chancen nicht schlecht, dass sie einen umgekehrt auch mochten. Jedes bisschen half dabei.
    Trev hingegen schien von der Vergangenheit völlig unbeeindruckt zu sein und hatte sofort erkannt, dass
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