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Der Club der unsichtbaren Gelehrten

Der Club der unsichtbaren Gelehrten

Titel: Der Club der unsichtbaren Gelehrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Und berufen Sie doch in zehn Minuten eine Ratssitzung ein. Wir werden Fußball spielen!«
     
    Die Wahrheit ist weiblich, denn die Wahrheit ist eher schön als gut aussehend; damit lässt sich jedenfalls, überlegte Ridcully, als der Rat sich mürrisch versammelte, der Spruch erklären, demzufolge eine Lüge um die Welt laufen könne, ehe die Wahrheit ihre Stiefel anhat, da sie sich entscheiden muss, welches Paar sie anziehen soll – die Vorstellung, dass eine Frau, die sich in der Lage befindet, zu wählen, nur ein Paar Stiefel hat, entbehrt jeder logischen Grundlage. Als Göttin hat sie natürlich haufenweise Schuhe und deshalb viele Wahlmöglichkeiten: bequeme Schuhe für hausbackene Wahrheiten, Nagelstiefel für unangenehme Wahrheiten, einfache Clogs für allgemeine Wahrheiten und vielleicht ein Paar Latschen für offensichtliche Wahrheiten. Momentan war es jedoch wichtiger, welche Art von Wahrheit er seinen Kollegen auftischen sollte. Er kam zu dem Schluss, nicht auf die ganze Wahrheit zurückzugreifen, sondern stattdessen nichts als die Wahrheit zu wählen, die im Allgemeinen auf das Bedürfnis nach Aufrichtigkeit verzichtet.
    »Nun sagen Sie schon – was hat er gesagt?«
    »Er hat sich meinen vernünftigen Argumenten nicht verschlossen.«
    »Tatsächlich? Wo ist der Haken?«
    »Es gibt keinen. Er möchte nur etwas traditionellere Regeln.«
    »Auf keinen Fall! Soweit ich weiß, sind sie jetzt schon so gut wie prähistorisch!«
    »Außerdem möchte er, dass die Universität die Verantwortung in dieser Sache übernimmt, und jetzt ganz fix, meine Herren, in ungefähr drei Stunden geht ein Spiel los. Ich schlage vor, dass wir uns das mal genauer ansehen. Und zu diesem Zweck ist es erforderlich, dass Sie alle … Hosen tragen.«
    Nach einer Weile nahm Ridcully seine Uhr hervor, eine der altmodischen, von einem Kobold angetriebenen und damit zuverlässig ungenauen. Er klappte den goldenen Deckel auf und schaute geduldig dabei zu, wie das kleine Wesen sich abstrampelte, um die Zeiger kreisen zu lassen. Als der Protest nach anderthalb Minuten noch nicht nachgelassen hatte, klappte er den Deckel wieder zu. Das Klicken erzeugte eine Wirkung, die noch so viel lautes Gebrüll nicht hervorgebracht hätte.
    »Meine Herren«, sagte er mit ernster Stimme. »Wir müssen am Spiel des Volkes teilnehmen – des Volkes, möchte ich hinzufügen, von dem wir abstammen. Hat auch nur einer von uns in den vergangenen Jahrzehnten so ein Spiel gesehen? Ich glaube nicht. Wir sollten mehr nach draußen gehen. Ich bitte Sie nicht darum, es für mich zu tun, sondern für die vielen hundert Leute, die arbeiten, um uns ein Leben zu ermöglichen, in dem die Unannehmlichkeit nur selten ihr Haupt erhebt. Es stimmt zwar, dass sich viele andere hässliche Häupter erhoben haben, aber immer hat uns in nicht allzu weiter Ferne eine Mahlzeit gewinkt. Wir, meine Kollegen Zauberer, sind die letzte Bastion der Stadt gegen all die Schrecken, die gegen ihre Mauern anbranden können. Aber letztendlich ist keiner dieser Schrecken potentiell so gefährlich wie wir selbst. Ja, so ist es. Ich weiß nicht, was passieren würde, wenn Zauberer einmal wirklich hungrig wären. Deshalb beschwöre ich Sie dieses eine Mal: Tun Sie es unserer geliebten Käseplatten wegen.«
    Ridcully wäre der Erste, der zugegeben hätte, dass es im Laufe der Geschichte schon edlere Rufe zu den Waffen gegeben hatte, aber dieser hier war sehr geschickt auf seine Zielgruppe zugeschnitten. Es folgte noch ein wenig Knurren und Murren, aber das war dasselbe, als würde man sagen, der Himmel ist blau.
    »Was ist mit dem Mittagessen?«, fragte der Dozent für neue Runen misstrauisch.
    »Wir essen heute etwas früher«, antwortete Ridcully, »und nach allem, was ich gehört habe, sind die Pasteten, die es beim Spiel gibt, einfach – erstaunlich.«
    Die Wahrheit hatte sich nach eingehender Begutachtung vor ihrem riesengroßen Ankleidezimmerspiegel zwecks Überbringung einer derartig schamlosen Wahrheit für schwarze Lederstiefel mit Pfennigabsätzen entschieden.
     
    Als Glenda in die Nachtküche kam, wartete Nutt dort bereits mit einem stolzen, wenn auch besorgten Gesichtsausdruck. Zuerst bemerkte sie ihn überhaupt nicht, aber dann, als sie sich vom Kleiderhaken, an den sie ihren Mantel gehängt hatte, umdrehte, stand er vor ihr und hielt zwei Teller wie Schilde vor sich.
    Sie glänzten so hell, dass sie beinahe die Augen bedecken musste.
    »Ich hoffe, das geht so«, sagte Nutt nervös.

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