Der Coach
wie die Ärzte ihm nur gestatteten.
Eines Abends, als die Besuchszeit schon lange vorbei war, schlich sich Rake zu ihm herein. »Er hat versucht, mich aufzuheitern«, erzählte Neely zwischen zwei Schlucken Bier. »Er hat gesagt, dass man das Knie in der Reha wieder hinkriegt. Und ich hab versucht, ihm zu glauben.«
»Hat er was über das Endspiel von 1987 gesagt?«, fragte Silo.
»Wir haben darüber geredet.«
Eine lange, unbehagliche Pause entstand, als alle an dieses Spiel dachten und an die Geheimnisse, die es umgaben. Es war Messinas letzter Meistertitel, und das allein hätte genügt, dieses Spiel zum Gegenstand langjähriger, ausführlicher Analysen zu machen. 0:31 im Rückstand nach der ersten Halbzeit, und mitgenommen von der rauen Behandlung durch ein haushoch überlegenes Team aus East Pike, waren die Spartans auf das Spielfeld der A&M zurückgekommen, wo fünfunddreißigtausend Fans auf sie warteten. Rake war nicht da, er tauchte erst gegen Ende des letzten Viertels wieder auf.
Über die wahren Ereignisse von damals wurde seit fünfzehn Jahren geschwiegen, und offensichtlich wollten weder Neely noch Silo, Paul oder Hubcap Taylor dieses Schweigen jetzt brechen.
Damals, im Krankenzimmer, hatte Rake sich schließlich entschuldigt, aber Neely hatte niemandem davon erzählt. Teague und Couch verabschiedeten sich und verschwanden im Laufschritt in der Dunkelheit.
»Du bist nie wieder hergekommen, oder?«, fragte Randy.
»Nicht mehr seit dem Unfall«, sagte Neely.
»Warum nicht?«
»Ich hatte keine Lust.«
Hubcap hatte sich bisher hauptsächlich mit einer Flasche beschäftigt, die etwas Stärkeres als Bier enthielt. Er hatte wenig gesagt, und als er jetzt sprach, war seine Zunge schwer. »Die Leute sagen, du hast Rake gehasst.«
»Das ist nicht wahr.«
»Und er hat dich gehasst.«
»Rake kam mit den Stars nicht zurecht«, sagte Paul. »Das wussten wir doch alle. Wenn man zu viele Auszeichnungen bekam oder zu viele Rekorde aufstellte, dann wurde er eifersüchtig. So einfach ist das. Er hat uns schuften lassen wie die Tiere und wollte, dass jeder Einzelne von uns richtig gut wird, aber wenn dann Jungs wie Neely plötzlich alle Aufmerksamkeit auf sich zogen, wurde er neidisch.«
»Das glaub ich nicht«, brummte Orley Short.
»Es stimmt aber. Außerdem wollte er seine Starspieler immer an die Colleges vergeben, die ihm gerade besonders sympathisch waren. Er wollte, dass Neely auf die State geht.«
»Und er wollte, dass ich zur Army gehe«, warf Silo ein. »Du kannst froh sein, dass du nicht ins Gefängnis gekommen bist«, sagte Paul.
»Noch ist nicht aller Tage Abend«, entgegnete Silo mit einem Lachen.
Ein weiteres Auto hielt vor dem Tor und schaltete die Scheinwerfer ab. Die Türen blieben geschlossen. »Das Gefängnis wird gemeinhin unterschätzt«, bemerkte Hubcap, und alle lachten.
»Rake hatte seine Favoriten«, sagte Neely. »Ich gehörte nicht dazu.«
»Warum bist du dann hier?«, fragte Orley Short. »Ich weiß nicht so genau. Wahrscheinlich aus demselben Grund wie du.«
In seinem ersten Jahr am Tech’s war Neely zum Spiel der Ehemaligen nach Messina gekommen. In der Halbzeitpause gab es eine kleine Zeremonie, in deren Verlauf das Trikot mit der 19 aufgehängt wurde. Die Standing Ovations wollten nicht enden, und schließlich verzögerte sich der Kickoff zur zweiten Halbzeit. Die Spartans bekamen eine Fünf-Yard-Strafe, was wiederum Coach Rake veranlasste, sie trotz einer Führung von 28:0 anzubrüllen.
Es war das einzige Spiel, das Neely gesehen hatte, seit er Messina verlassen hatte. Ein Jahr später lag er im Krankenhaus.
»Wann wurde eigentlich die Bronzebüste von Rake aufgestellt?«, fragte er.
»Ein paar Jahre, nachdem er entlassen worden war«, sagte Randy. »Die Sponsoren haben zehntausend Dollar gesammelt und sie in Auftrag gegeben. Ursprünglich wollten sie sie ihm vor einem Spiel feierlich übergeben, aber er wollte nicht.«
»Ist er denn gar nicht mehr hergekommen?«
»Nicht direkt.« Randy deutete auf eine Anhöhe hinter dem Mannschaftshaus. »Vor jedem Spiel ist er auf den Karr’s Hill gefahren und hat auf einer der Schotterstraßen geparkt. Da saß er dann mit Miss Lila, schaute aufs Feld runter und hörte sich Buck Coffeys Livereportage im Radio an. Er war zu weit weg, um was zu sehen, aber er konnte sicher sein, dass die ganze Stadt mitbekam, dass er zuschaute. Nach der Halbzeitpause hat sich die Kapelle immer in Richtung Hügel aufgestellt und das Schlachtlied
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