Der Coach
Flittchen entschieden, für die schnelle Befriedigung, aber langfristig gesehen war das die falsche Entscheidung.«
»Ich geb’s ja zu, ich war jung und blöd. Es hat allerdings Spaß gemacht.«
»Du warst der All-American, Neely, du konntest jedes Mädchen in der ganzen Schule haben. Du hast mit Cameron Schluss gemacht, weil Screamer so ein heißer Feger war. Dafür hab ich dich gehasst.«
»Ach komm, Nat. Wirklich?«
»Gehasst hab ich dich. Cameron und ich waren schon im Kindergarten Freunde, ehe du überhaupt hierher gezogen warst. Sie wusste immer, dass ich anders war, und hat mich beschützt. Ich hab versucht, sie auch zu beschützen, aber sie hat sich in dich verliebt, das war ihr großer Fehler. Dann hat Screamer beschlossen, dass sie den AllAmerican haben will. Also wurden die Röcke kürzer, die Oberteile knapper, und schon hingst du an der Angel. Und meine geliebte Cameron war abgemeldet.«
»Tut mir Leid, dass ich davon angefangen habe.«
»Ja, Mann, lass uns über was anderes reden.«
Doch für einen langen, stillen Augenblick gab es nichts zu sagen.
»Du solltest sie mal sehen«, meinte Nat dann.
»Sie sieht bestimmt gut aus.«
»Screamer sieht aus wie eine alternde Edelnutte, und das ist sie wahrscheinlich auch. Aber Cameron hat wahre Klasse.«
»Glaubst du, sie kommt her?«
»Wahrscheinlich. Sie hatte doch so lange Klavierunterricht bei Miss Lila.«
Neely hatte keine anderen Termine, schaute aber trotzdem auf die Uhr. »Ich muss los, Nat. Danke für den Kaffee.«
»Danke, dass du vorbeigekommen bist, Neely. War wirklich schön.«
Sie schlängelten sich wieder zwischen den Regalen hindurch in den vorderen Teil des Ladens. An der Tür hielt Neely noch einmal inne. »Übrigens, ein paar von den Jungs treffen sich heute Abend auf der Tribüne. Wird wohl so eine Art Nachtwache«, sagte er. »Es gibt Bier und alte Kriegsgeschichten. Warum kommst du nicht auch?«
»Mach ich gern«, sagte Nat. »Danke.«
Neely öffnete die Tür und wollte hinausgehen. Nat hielt ihn am Arm fest und sagte: »Ich hab gelogen, Neely. Ich hab dich nicht gehasst.«
»Das hättest du aber tun sollen.«
»Niemand hat dich gehasst, Neely. Du warst unser AllAmerican.«
»Die Zeiten sind vorbei, Nat.«
»Erst wenn Rake tot ist.«
»Sag Cameron, ich würde sie gern sehen. Ich muss ihr was sagen.«
Die Sekretärin schenkte ihm ein geschäftstüchtiges Lächeln und schob ein Klemmbrett mit einem Formular über den Tisch. Neely schrieb seinen Namen, die Uhrzeit und das Datum darauf und notierte, dass er Bing Albritton besuchen wolle, den langjährigen Basketball-Trainer der Mädchenmannschaft. Die Sekretärin warf einen prüfenden Blick auf das Formular, erkannte offensichtlich weder sein Gesicht noch seinen Namen und sagte schließlich: »Er ist sicher in der Turnhalle.«
Die zweite Verwaltungsangestellte blickte kurz auf, doch auch sie erkannte Neely Crenshaw nicht.
Und das war ihm nur allzu recht.
Auf den Gängen der Messina Highschool war es still, die Türen zu den Klassenzimmern waren alle geschlossen. Dieselben Spinde wie damals. Dieselbe Wandfarbe. Dieselben Dielenbretter, hart und glänzend von unzähligen Schichten Bohnerwachs. Der gleiche klebrige Geruch nach Desinfektionsmittel, wenn man sich den Toiletten näherte. Wenn er hineingehen würde, da war sich Neely sicher, würde er wie damals den Wasserhahn tropfen hören, den Rauch einer unerlaubten Zigarette riechen, die Reihe fleckiger Pissoirs vor sich sehen und wahrscheinlich sogar zwei Idioten, die gerade eine Prügelei anfingen. Er ging weiter die Gänge entlang und kam an einem Raum vorbei, in dem Miss Arnett gerade Algebra unterrichtete. Als er kurz durch die schmale Fensteröffnung in der Tür schaute, erhaschte er einen Blick auf seine frühere Lehrerin, die, inzwischen fünfzehn Jahre älter, auf derselben Tischkante saß und dieselben Formeln erläuterte.
War das tatsächlich alles fünfzehn Jahre her? Einen Moment lang hatte er das Gefühl, wieder achtzehn zu sein, ein Teenager, den Algebra und Englisch nervten und der ohnehin nichts von alldem brauchte, was ihm diese Schule bieten konnte, weil er als Football-Spieler ein Vermögen machen würde. In null Komma nichts schien die Zeit um fünfzehn Jahre zurückgedreht, und ihm wurde ein wenig schwindlig.
Der Hausmeister ging an ihm vorbei, ein sehr alter Mann, der das Gebäude seit seinem Bestehen in Schuss hielt. Für den Bruchteil einer Sekunde schien es, als würde er Neely erkennen, doch
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