Der Coach
geschossen. Wir waren Idioten. Wenn ’ne Kuh zu nah rankam, haben wir Zielschießen gespielt. Und wenn ein neugieriger Reisbauer vom Reisfeld hochgeschaut hat, haben wir draufgehalten, weil wir sehen wollten, wie er in den Matsch fällt. Unsere Mission war taktisch völlig unwichtig, also haben wir Bier getrunken, Gras geraucht, Karten gespielt und versucht, die Mädchen aus den Dörfern zu einer Bootsfahrt zu überreden.«
»Hat sicher einen Grund, dass du uns das erzählst«, ließ sich Paul von hinten vernehmen.
»Halt die Klappe und hör zu. Eines Tages dösen wir so rum, es ist heiß, wir liegen in der Sonne und machen ein Nickerchen wie Schildkröten auf einem Baumstamm. Und plötzlich ist die Hölle los. Wir werden von beiden Ufern beschossen. Schwere Geschütze. Ein Hinterhalt. Zwei der Jungs sind unter Deck, ich bin oben mit drei anderen, und die werden sofort getroffen. Tot. Erschossen, bevor sie auch nur an ihre Waffen gekommen sind. Blut spritzt durch die Gegend. Alles brüllt wie am Spieß. Ich liege flach auf dem Bauch, trau mich nicht, mich zu rühren. Und dann treffen die plötzlich ein Treibstoff-Fass. Das Mistding hätte natürlich nicht an Deck sein dürfen, aber solche Regeln waren uns halt egal. Wir achtzehnjährigen Blödmänner waren schließlich unverwundbar. Das Ding fliegt also in die Luft. Ich schaff’s gerade noch, in den Fluss zu springen, ohne Verbrennungen abzukriegen. Ich schwimme ans Boot ran und halte mich an ’nem Stück Tarnnetz fest, das über die Seite runterhängt. Drinnen im Boot höre ich meine beiden Kameraden brüllen. Sie sitzen fest, überall Feuer und Rauch, keine Möglichkeit zu entkommen. Ich bleibe unter Wasser, so lang ich kann. Jedes Mal, wenn ich hochkomme, um Luft zu holen, feuern die Schlitzaugen wie wild mit ihren schweren Geschützen auf mich. Die wissen, dass ich da im Wasser bin und die Luft anhalte. Das geht eine Weile so, und das Boot brennt die ganze Zeit und treibt mit der Strömung weiter. Das Gebrüll und Gehuste aus der Kabine unten hört irgendwann auf. Alle tot, bis auf mich. Die Schlitzaugen verstecken sich jetzt nicht mehr, schlendern auf beiden Seiten am Ufer entlang wie beim Sonntagsspaziergang. Macht ihnen richtig Spaß. Ich bin als Einziger noch am Leben, und sie warten drauf, dass ich ’nen Fehler mache. Ich schwimme unter dem Boot durch, tauche auf der anderen Seite wieder auf zum Luftholen. Natürlich hagelt es gleich Kugeln. Ich schwimme nach hinten, halte mich eine Weile am Ruder fest, komme wieder hoch und höre, wie die Schlitzaugen lachen, als sie auf mich schießen. In dem Fluss wimmelt’s auch noch von Schlangen, so kleinen, kurzen Mistdingern, die absolut tödlich sind. Ich hab also die Wahl: ertrinken, mich abknallen lassen oder warten, bis die Schlangen kommen.«
Mal stellte seinen Kaffeebecher in die Halterung am Armaturenbrett und zündete sich eine Zigarette an. Immerhin ließ er sich dazu herab, das Fenster einen Spaltbreit zu öffnen. Neely öffnete seines ebenfalls ein wenig. Sie fuhren jetzt durch Ackerland, brausten zwischen sanften Hügeln hindurch, vorbei an Traktoren und alten Lieferwagen.
»Und was ist dann passiert?«, fragte Neely, als er merkte, dass Mal zum Weitererzählen aufgefordert werden wollte.
»Wisst ihr, wer mich gerettet hat?«
»Na los, sag’s uns.«
»Rake. Eddie Rake. Als ich da mit letzter Kraft unter dem Boot hing, da hab ich nicht an meine Mama gedacht, auch nicht an meinen Dad oder meine Freundin. Ich hab an Rake gedacht. Ich hab gehört, wie er uns angebrüllt hat, wenn wir nach dem Training Sprints gelaufen sind. Gebt nicht auf, lasst euch niemals hängen. Ihr gewinnt, weil ihr psychisch stabiler seid als die anderen, und ihr seid psychisch stabiler, weil ihr ein viel besseres Training gekriegt habt. Wenn ihr am Gewinnen seid, lasst euch nicht hängen. Wenn ihr am Verlieren seid, lasst euch nicht hängen. Wenn ihr verletzt seid, lasst euch nicht hängen. Gebt niemals auf.«
Mal inhalierte den Rauch seiner Zigarette, während die beiden jüngeren Männer über die Geschichte nachdachten. Draußen wichen währenddessen die Fahrer ziviler Fahrzeuge auf den Seitenstreifen aus oder traten hart auf die Bremse, um den rasenden Gesetzeshüter vorbeizulassen.
»Schließlich haben sie mich doch getroffen, ins Bein. Habt ihr gewusst, dass Kugeln auch unter Wasser treffen können?«
»Darüber hab ich noch nie nachgedacht«, gab Neely zu.
»Und wie die treffen können. Die linke Kniesehne. Ich
Weitere Kostenlose Bücher