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Der Coach

Titel: Der Coach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Volleyball. Die Blocks B, C und D wirkten ebenso trostlos. Wie hält man es hier bloß aus?, fragte sich Neely.
    An einer Kreuzung bogen sie ab und fuhren schon bald durch Block E, der ein wenig moderner wirkte. Vor Block F hielten sie und gingen ein paar Meter zu Fuß bis zu einer Stelle, wo der Zaun im rechten Winkel die Richtung änderte. Der Wärter nuschelte etwas in sein Funkgerät, dann hob er eine Hand und sagte: »Gehen Sie am Zaun entlang bis zu dem weißen Masten da drüben. Er kommt gleich raus.« Neely und Paul folgten dem Zaun über frisch gemähtes Gras. Mal blieb mit dem Wärter zurück und schenkte ihnen keine weitere Aufmerksamkeit.
    Hinter dem Gebäude, neben dem Basketball-Feld, befand sich ein kleinerer, betonierter Platz, auf dem alle möglichen Kraftmaschinen und Hanteln durcheinander standen und lagen. Große, muskelbepackte Männer, Schwarze und Weiße, stemmten in der Morgensonne Gewichte, Schweiß glänzte auf ihren nackten Oberkörpern. Ganz offensichtlich verbrachten sie jeden Tag mehrere Stunden beim Krafttraining.
    »Da ist er«, sagte Paul. »Links an der Beinpresse, er steht gerade auf.«
    »Ja, das ist Jesse.« Neely war fasziniert von diesem Anblick, der kaum einem Außenstehenden je vergönnt war.
    Ein Wärter näherte sich Jesse Trapp und sagte etwas zu ihm. Abrupt hob er den Kopf und ließ den Blick an dem endlosen Zaun entlangschweifen, bis er die beiden Männer erblickte. Er warf sein Handtuch auf die Maschine und kam mit dem bedächtigen, entschlossenen Schritt eines Spartan über den Platz und das leere Basketball-Feld auf die Grasfläche vor dem Zaun um Block F.
    Schon aus vierzig Metern Entfernung sah Jesse sehr muskulös aus, doch als er näher kam, wirkten sein gewaltiger Brustkorb, sein breiter Nacken und seine durchtrainierten Arme fast beängstigend. Sie hatten eine Saison lang mit ihm gespielt – er war ein Jahr älter als sie – und ihn im Umkleideraum oft genug nackt gesehen. Sie hatten gesehen, wie er im Kraftraum mit den schwersten Hanteln jonglierte. Sie hatten erlebt, wie er jeden Spartaninternen Rekord im Gewichtheben brach.
    Doch jetzt wirkte er noch einmal doppelt so stark. Sein Nacken schien den Umfang eines Eichenstamms zu haben, seine Schultern waren so breit, dass er kaum durch eine Tür zu passen schien. Seine Bizeps- und Trizepsmuskulatur übertrafen die durchschnittliche Größe um ein Vielfaches, seine Bauchmuskeln glichen einem Kopfsteinpflaster.
    Jesse hatte das Haar militärisch kurz geschoren, sodass der riesige Schädel noch eckiger wirkte. Als er schließlich vor ihnen stand und auf sie hinunterblickte, lächelte er. »Hey, Jungs«, sagte er, noch außer Atem von der letzten Trainingsrunde.
    »Hallo, Jesse«, sagte Paul.
    »Wie geht’s dir?«, fragte Neely.
    »Ganz gut, kann mich nicht beklagen. Schön, euch zu sehen. Ich krieg hier nicht viel Besuch.«
    »Wir haben schlechte Nachrichten, Jesse«, begann Paul. »Das hab ich mir gedacht.«
    »Rake ist tot. Er ist gestern Nacht gestorben.«
    Jesses Kinn sank auf seine gewaltige Brust hinab. Es schien, als würde er unter dem Schlag dieser Nachricht in der Taille ein wenig einknicken. »Meine Mutter hat mir geschrieben, dass er krank ist«, sagte er und hielt dabei die Augen geschlossen.
    »Es war Krebs. Die Krankheit wurde vor etwa einem Jahr festgestellt, aber es ging sehr schnell zu Ende.«
    »Mannomann. Ich hab gedacht, Rake lebt ewig.«
    »Das haben wir alle gedacht«, sagte Neely.
    Zehn Jahre Gefängnis hatten Jesse gelehrt, jedes Gefühl, das ihn überkam, zu beherrschen. Er schluckte schwer und öffnete die Augen. »Danke, dass ihr gekommen seid. Das hättet ihr nicht tun müssen.«
    »Wir wollten dich sehen, Jesse«, sagte Neely. »Ich denke viel an dich.«
    »Der große Neely Crenshaw.«
    »Das ist lange her.«
    »Schreib mir doch mal. Ich hab noch achtzehn Jahre.«
    »Das mach ich, Jesse. Versprochen.«
    »Danke.«
    Paul bohrte die Fußspitze ins Gras. »Es ist so, Jesse: Morgen findet eine Trauerfeier statt, auf dem Feld. Fast alle von Rakes Jungs werden dort sein, um Abschied zu nehmen. Mal hat gesagt, er kann ein paar Hebel in Bewegung setzen, damit du Freigang bekommst.«
    »Ganz bestimmt nicht, Mann.«
    »Du hast dort viele Freunde, Jesse.«
    »Ehemalige Freunde, Paul, Leute, die ich enttäuscht habe. Die werden alle auf mich zeigen und sagen: ›Schaut mal, das ist Jesse Trapp. Der hätte ein Star werden können, aber er hat sich mit Drogen eingelassen und sein Leben ruiniert.

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