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Der Codex

Titel: Der Codex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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Donner gerührt war. Philip stand langsam auf und starrte Borabay an.
    »Dann, nachdem Vater heiraten Mutter, Mutter mich geboren. Ich genannt Borabay, nach Vater.«
    »Borabay«, murmelte Philip, und dann: »Broadbent.«
    Ein langes Schweigen trat ein.
    »Versteht ihr denn nicht? Borabay - Broadbent. Es ist der gleiche Name.«
    »Du meinst, er ist unser Bruder?«, fragte Vernon ungestüm, als es ihm endlich dämmerte.
    Niemand antwortete. Philip, nun auf den Beinen, trat e i nen Schritt auf Borabay zu und beugte sich vor, um sein Gesicht aus der Nähe zu betrachten, als wäre er eine Art Abnormität. Borabay rührte sich, nahm die Pfeife aus dem Mund und lachte nervös. »Was du sehen, Bruder? G e spenst?«
    »Irgendwie schon.« Philip streckte die Hand aus und berührte Borabays Gesicht.
    Borabay blieb ruhig sitzen, reglos.
    »Mein Gott«, sagte Philip leise. »Du bist wirklich unser Bruder. Außerdem bist du der älteste von uns. Gütiger Gott, ich bin gar nicht der Erstgeborene. Ich bin der zweite und habe es nie gewusst.«
    »Das ich doch sagen! Wir alle Brüder. Was du denken, wenn ich sagen >Bruder    »Wir haben nicht geglaubt, dass du es wörtlich meinst«, erwiderte Tom.
    »Warum ihr glauben, ich retten euer Leben?«
    »Keine Ahnung. Uns bist du wie ein Heiliger erschienen.«
    Borabay lachte. »Ich heilig? Du lustig, Bruder! Wir alle Brüder. Wir alle haben gleichen Vater, Masseral Borabay. Du Borabay, ich Borabay, wir alle Borabay.« Er klopfte sich auf den Brustkorb.
    »Broadbent«, korrigierte Philip. »Der Name ist Broadbent.«
    »Borabeyn. Ich sprechen gut. Du mich verstehen. Ich bin Borabay schon lange, so ich bleiben Borabay.«
    Sallys Lachen stieg plötzlich zum Himmel empor. Sie war ebenfalls aufgestanden und umkreiste das Lagerfeuer. »Als gäbe es in dieser Gegend nicht schon genug Broadbents! Und jetzt gibt's sogar noch einen mehr! Vier Stück! Kann die Welt das verkraften?«
    Vernon, der den Sachverhalt als Letzter verstanden hatte,
    war nun der Erste, der wieder einen klaren Gedanken fa s sen konnte. Er stand auf und ging zu Borabay hinüber. »Ich freue mich, dich als meinen Bruder willkommen zu he i ßen«, sagte er und drückte Borabay an sich. Borabay scha u te leicht erstaunt drein, dann umarmte auch er Vernon.
    Vernon machte Platz, als Tom vortrat und die Hand ausstreckte. Borabay schaute sie verdutzt an.
    »Stimmt was nicht mit Hand, Bruder?«
    Er ist mein Bruder und weiß nicht mal, wie man sich die Hand schüttelt, dachte Tom. Er umarmte Borabay mit einem Gri n sen, und der Indianer reagierte mit seiner rituellen Umarmung. Tom wich zurück, und als er ins Gesicht seines Br u ders schaute, konnte er in dessen Zügen seine eigenen e r kennen. Und die seines Vaters und seiner anderen Brüder.
    Dann war Philip an der Reihe. Er streckte die Hand aus. »Borabay, ich bin nicht der Typ zum Knuddeln und Kü s sen. Wir Gringos schütteln uns die Hand. Ich bring es dir bei. Streck die Hand aus.«
    Borabay streckte die Hand aus. Philip ergriff und schütte l te sie. Borabays Arm zappelte herum, und als Philip seine Hand freigab, zog Borabay sie an sich und untersuchte, ob sie noch heil war.
    »Nun, Borabay«, sagte Philip. »Willkommen im Klub. Im Klub der verarschten Maxwell-Broadbent-Söhne. Die Mitgliederliste wird täglich länger.«
    »Was bedeuten verarscht?«
    Philip winkte ab. »Ist nur eine Redensart.«
    Auch Sally umarmte Borabay. »Ich bin keine Broadbent«, sagte sie mit einem Lächeln. »Dem Himmel sei Dank.«
    Alle nahmen wieder am Feuer Platz. Nun breitete sich verlegenes Schweigen aus.
    »Was für ein Familientreffen«, sagte Philip und schüttelte ungläubig den Kopf. »Unser alter Vater ist auch nach se i nem Tod noch immer für eine Überraschung gut.«
    »Aber das ich wollte erzählen«, sagte Borabay. »Vater sein nicht tot.«

50
     
    Die Nacht war hereingebrochen, doch in den Tiefen der Gruft, in die seit tausend Jahren kein Licht gefallen war, machte das keinen Unterschied. Marcus Hauser trat über den zerbrochenen Türsturz in den tiefen Raum und inh a lierte den kühlen Staub der Jahrhunderte. Eigenartig, es roch frisch und sauber hier, ohne den geringsten Hinweis von Verfall oder Fäulnis. Er leuchtete mit dem starken H a logenscheinwerfer um sich. Das verstreute Glitzern von Gold und Jade zwinkerte zu ihm zurück und vermischte sich mit braunen Knochen und Staub. Das einst üppig g e schmückte Skelett lag auf einer mit Hieroglyphen verzie r

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