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Der Codex

Titel: Der Codex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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sie?«
    »Sie hält sich momentan im tiefsten Dschungel von Honduras auf. Sie kann nicht einmal mich erreichen. Wie sollte sie dann jemand anderen kontaktieren? Außerdem ist sie die Verschwiegenheit in Person.«
    Die am Tisch herrschende Stille währte eine geraume Weile. Hatte man ihn desw e gen nach Genf zitiert? Die Sache gefiel Clyve nicht. Sie gefiel ihm ganz und gar nicht. Er war doch nicht der Prügelknabe hier. Er stand auf. »Diese U n terstellung ist bele i digend«, sagte er. »Ich werde meinen Teil des Geschäfts einhalten. Mehr brauchen Sie nicht zu wissen, meine Herren. Sie werden den Codex bekommen und mir dann die zweite Million überweisen. Dann bespr e chen wir, welches Honorar Sie mir für die Übersetzung za h len.«
    Seine Erklärung wurde mit Schweigen beantwortet. »Honorar für die Überse t zung?«, wiederholte der Vorsitzende.
    »Es sei denn, natürlich, Sie wollen die Übersetzung selbst vornehmen.« Die Männer schauten ihn an, als hätten sie in eine saure Zitrone gebissen. Was für eine Truppe von Schwachköpfen. Clyve verachtete Geschäftsleute ihrer Art: Sie hatten keine Bi l dung. Sie wussten nichts. Hinter ihrer vornehmen Fassade aus teuer geschneiderten Anzügen verbarg sich nichts als Gier.
    »Wir wollen doch um Ihretwillen hoffen, dass Sie alles tun, was Sie uns verspr o chen haben, Herr Professor.«
    »Drohen Sie mir nicht.«
    »Das ist ein Versprechen, keine Drohung.«
    Clyve verbeugte sich. »Guten Tag, meine Herren.«

66
     
    Sieben Wochen waren vergangen, seit Tom und seine Brüder sich am Tor des väterl i chen Landsitzes versammelt hatten, doch es kam ihnen wie ein ganzes Leben vor. Nun ha t ten sie es endlich geschafft. Sie hatten die Grabkammer e r reicht.
    »Weißt du, wie man sie öffnet?«, fragte Philip.
    »Nein.«
    »Vater muss es rausgekriegt haben«, sagte Vernon. »Schließlich hat er die Gruft einst geplündert.«
    Borabay steckte einige Brandfackeln in die Felsspalten, dann nahmen sie eine gründliche Untersuchung der Tür vor, die zur Grabkammer führte. Sie bestand aus massivem Fels und saß in einem weißen Kalksteinrahmen. Sie verfü g te weder über ein Schlüsselloch noch über Knöpfe oder verborgene Hebel. Das die Grabkammer umgebende G e stein befand sich im Naturzustand, sah man einmal davon ab, dass zu beiden Seiten der Tür mehrere Löcher in den Fels gebohrt waren. Als Tom sich zu so einem Loch hina b beugte, spürte er eine kühle Brise - die Gruft war offenbar mit Luf t löchern versehen.
    Als sie die nähere Umgebung der Grabkammer unte r suchten, erhellte sich der Himmel im Osten mit dem ersten Licht der Morgendämmerung. Sie klopften an die Tür, sie riefen, sie schlugen auf die Tür ein, stemmten sich gegen sie und ließen nichts unversucht, um sie zu öffnen. Nichts zei g te Wirkung. Eine Stunde verging, doch die Tür bewegte sich nicht.
    »So geht's nicht«, sagte Tom schließlich. »Wir müssen ganz anders an die Sache rangehen.«
    Alle zogen sich auf den nahe gelegenen Sims zurück. Die Sterne waren ve r schwunden. Hinter den Bergen hellte sich der Himmel auf. Sie hatten eine atemb e raubende Aussicht über eine fantastische Wildnis aus gezackten weißen Gi p feln, die wie Zähne aus dem weichen grünen Gaumen des Dschungels ragten.
    »Wenn wir uns die zerstörten Türen anschauen, kriegen wir vielleicht raus, wie es geht«, meinte Tom.
    Sie nahmen den Weg zurück, den sie gekommen waren, und stießen vier, fünf T ü ren weiter auf eine aufgebrochene Gruft. Die Tür war in der Mitte gespalten; eine Hälfte war nach außen gefallen. Borabay zündete eine neue Fackel an und blieb u n schlüssig vor der Tür stehen.
    Er drehte sich zu Philip um. »Ich Feigling«, sagte er und reichte ihm die Fackel. »Du mutiger als ich, Brüderchen. Du gehen.«
    Philip klopfte Borabay kurz auf die Schulter, dann nahm er die Fackel und betrat die Gruft. Tom und Vernon schlö s sen sich ihm an.
    Der Raum war nicht groß. Er maß etwa fünf Quadratmeter. In der Mitte ragte eine Steinplattform auf. Auf ihr hockte eine eingewickelte Mumie - noch immer aufrecht, die Knie bis zum Kinn hinaufgezogen, die Hände im Schoß gefaltet. Die langen schwarzen Haare des Toten waren im Nacken zu einem Zopf geflochten, seine vertrockneten Li p pen ließen die Zähne sehen. Der Unterkiefer hing herab; er schien e i nen Gegenstand ausgespuckt zu haben. Als Tom genauer hinsah, sah er, dass es sich um eine Insektenlarve aus Jade handelte. Die Mumie hielt einen glatten, etwa

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