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Der Codex

Titel: Der Codex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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ihnen auf. Ratten sprangen aus den Töpfen und flohen vor dem Licht der Fackel. Tom, dem vor Fasz i nation und Mitleid übel war, lugte in einen Topf hinein und entdeckte einige getrocknete Bananen. Sie wimmelten von glitschigen schwarzen Kakerlaken, die in Panik vor dem Licht davonstoben. In den Wasserkrügen waberten tote Ratten und Mäuse. Vor einer Wand lag ein ganzer Ha u fen verwesender Ratten. Sein Vater hatte sie allem Anschein nach bei seinem täglichen Konkurrenzkampf um die Na h rung erlegt. Im hinteren Teil der Gruft sah Tom die Augen lebendiger Ratten leuchten, die nur darauf warteten, dass er wieder ve r schwand.
    Was sein Vater während des Wartens auf ihn und seine womöglich nie eintreffe n den Brüder in dieser absoluten Schwärze durchlitten hatte ... Es war zu grauenhaft, um es sich vorzustellen. Dass er es ausgehalten und überlebt ha t te, ohne die Hof f nung zu verlieren, sagte Tom etwas über ihn, das ihm bisher unbekannt gewesen war.
    Er wischte sich übers Gesicht. Er musste den Codex fi n den. Und dann nichts wie weg.
    Da die Transportbehälter noch beschriftet und etikettiert waren, brauchte er nur wenige Minuten, bis er die Kiste vor sich hatte, die den Codex enthielt.
    Er zerrte das schwere Ding ans Tageslicht, legte eine Pa u se ein und genoss die fr i sche Gebirgsluft. Die Kiste wog etwa achtzig Pfund und enthielt außer dem Codex noch andere Bücher. Tom nahm die Schrauben und Flügelmu t tern der Stahlbänder in Augenschein; sie hielten die in F i berglas eingeschlagene Holzkiste zusammen. Die Flüge l muttern saßen knallhart. Er brauchte einen Schraube n schlüssel, um sie zu l ö sen.
    Tom suchte sich einen Stein und versetzte einer der Muttern einen festen Schlag, der sie löste. Dieses Verfahren wiederholte er dann mehrere Male. Wenige Minuten später hatte er alle Flügelmuttern abgeschraubt. Er löste die Stah l bänder. Ein paar gezielte Hiebe ließen die Fiberglashülle brechen. Tom riss sie ab. Ein halbes Dutzend wertvolle B ü cher rutschten heraus. Alle waren gewissenhaft in säur e freies Papier eingeschlagen: eine Gutenberg-Bibel, festlich gestaltete Manuskripte, ein Stunde n buch. Er schob alles beiseite, griff in die Kiste hinein, packte den in Rindsleder g e bundenen Codex und zog ihn heraus.
    Er begutachtete ihn kurz. Ihm fiel ein, dass er früher in einer kleinen Glasvitrine im Wohnzimmer gelegen hatte. Sein Vater hatte sie etwa einmal im Monat aufgeschlo s sen und dann in dem Buch geblättert. Auf den Seiten befanden sich schöne kleine Zeichnungen von Pflanzen, Blumen und I n sekten, die von Schriftzeichen umgeben waren. Tom eri n nerte sich, dass er sich diese merkwürdigen Maya-Schriftzeichen angeschaut hatte: Punkte, dicke Striche und lachende Gesichter, alle in einem wirren Knäuel umeina n der gewickelt. Er hatte nicht mal geahnt, dass es sich um eine Schrift handelte.
    Tom leerte einen der herumliegenden Rucksäcke und schob das Buch hinein. Dann hängte er ihn sich über die Schulter und machte sich auf den Rückweg. Er beschloss, nach Südwesten und Hauser möglichst aus dem Weg zu gehen.
    Er betrat die Ruinenstadt.

76
     
    Hauser folgte der Fährte nun vorsichtiger. Er war äußerst wachsam und spürte ein Kribbeln der Erregung und Furcht. Dem Indianer war es in einer knappen Viertelstu n de gelungen, eine Falle zu basteln. Erstaunlich. Er musste also noch irgendwo hier draußen sein. Zweifellos bereitete er schon den nächsten Hinterhalt vor. Hauser verstand nicht so recht, weshalb der indianische Führer den Broa d bents so viel Loy a lität entgegenbrachte. Die Fähigkeiten der Einheimischen, im Urwald zu überleben, Hinterhalte zu legen oder Gegner auszuschalten, unterschätzte er jedoch nie. Der Vietcong hatte ihm Respekt eingeflößt. Deswegen ließ er nun bei der Verfolgung der Fährte der Broadbents keine Vorsichtsmaßnahme aus, um sich vor einem event u ellen Hinterhalt zu wappnen: Er ging ständig im Zickzack und hielt alle paar Minuten an, um den Boden und das U n terholz abzusuchen. Er hob sogar witternd die Nase in den Wind, um nach menschlichen Ausdünstungen zu fahnden. Kein in einem Baum hockender Indianer würde ihn mit seinem Giftpfeil überraschen.
    Die Broadbents waren zur Plateaumitte unterwegs, wo der Urwald am dichtesten war. Zweifellos wollten sie sich dort irgendwo verkriechen und den Einbruch der Dunke l heit abwarten. Doch das würde ihnen keinen Erfolg bri n gen: Hauser war im Grunde auf noch keine Fährte gest o ßen, der er

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