Der Codex
wieder auf den Beinen und ließ eine Salve aus dem Automatikgewehr in die Richtung krachen, wo der Indianer gerade noch gew e sen war.
Doch er war weg. Verschwunden.
Hauser schaute sich um. Der Indianer war ihm trotz allem einen Schritt voraus g e wesen. Als er aufschaute, sah er den Baum mit dem kleinen roten Stofffetzen und die Spitze des Blasrohrpfeils. Alles war genau da, wo der Indianer es platziert hatte. Hauser schluckte. Er hatte jetzt keine Zeit, um sich zu fürchten oder zu ärgern. Er musste seinen Auftrag erledigen. Er wollte das Katz-und-Maus-Spiel des Indianers nicht mehr mitmachen, denn er lief Gefahr, es womöglich zu verlieren. Nun war es an der Zeit, die Broadbents mit brachialer Gewalt aus dem Busch ins Freie zu treiben.
Hauser drehte sich um, ging an der Kolonie von Kletterpflanzen vorbei, blieb st e hen und hob die Steyr AUG. Er gab ein, zwei Salven ab, dann marschierte er weiter und nahm die dichte Vegetation noch einmal unter Beschuss. Sein Vorgehen hatte den gewünschten Erfolg: Die Broa d bents ergriffen die Flucht. Er hörte ihr panisches Getöse, denn sie machten Lärm wie ein Schwärm Rebhühner. Jetzt wusste er, wo sie waren. Er rannte an dem Pflanzendickicht vorbei, um den Flüchtenden den Weg abzuschneiden, s o bald sie ins Freie kamen. Er wollte sie in Richtung Brücke jagen.
Hinter ihm war plötzlich ein Geräusch zu vernehmen. Er wirbelte zu der weit gr ö ßeren Gefahr herum, betätigte den Abzug und feuerte in die Vegetation, aus der di e ser Krach kam. Blätter, Ranken und Zweige wurden von den Bäumen gerissen und spritzten in alle Richtungen. Hauser hörte das Klicken und Klacken der überall ei n schlagenden Kugeln, sah noch eine Bewegung und nahm die Vegetation erneut unter Beschuss. Dann hörte er ein Kreischen und Krachen.
Ein Coatí, verdammt noch mall Er hatte auf einen Waschbären geschossen!
Hauser wandte sich um, konzentrierte seine Aufmer k samkeit auf das Terrain vor sich, senkte das Gewehr und feuerte in die Richtung der fliehenden Broadbents. Er hörte den Coat; hinter sich vor Schmerzen heulen. Dann das Kn a cken von Zweigen. Ihm wurde gerade noch rechtzeitig b e wusst, dass es nicht der verletzte Waschbär war, sondern schon wieder der Indianer.
Hauser ließ sich fallen und schoss - nicht um zu töten, denn der Indianer war schon längst im Dickicht des U r walds verschwunden -, sondern um ihn nach rechts in Richtung auf das freie Gelände vor der Brücke zu dirigi e ren. Er wollte, dass er in die gleiche Richtung lief wie die Broadbents. Nun hatte er auch den Indianer in die Flucht geschlagen und trieb ihn auf die anderen zu. Es war wic h tig, dass sie in B e wegung blieben. Hauser schoss pausenlos, um sie am Abbiegen zu hindern, denn sie durften keine s falls wieder hinter ihm auftauchen. Er lief geduckt voran und gab ku r ze Feuerstöße nach rechts und links ab, um zu verhindern, dass sie in die Ruinenstadt entwischten. Indem er ihnen von links auf den Pelz rückte, trieb er sie noch dichter an den Abgrund heran. Auf diese Weise würden sie zusammenbleiben, bis er sie auf das freie Gelände g e scheucht hatte. Als das Magazin leer war, hielt er kurz inne und legte ein neues ein. Dann rannte er weiter. Aus dem Dickicht vor ihm drang der Lärm der fliehenden Broa d bents. Sie liefen genau dorthin, wo er sie haben wollte.
Jetzt saßen sie in der Falle.
77
Als Tom das Feuerstakkato aus Hausers Gewehr hörte, lag die Hälfte des Plateaus bereits hinter ihm. Aus Furcht vor dem, was die Schüsse möglicherweise bedeuteten, rannte er instinktiv in die Richtung, aus der der Lärm kam. Er schlug Farne und Schlingpflanzen beiseite, sprang über am Boden liegende Baumstämme und kletterte über Mauerruinen hinweg. Dann vernahm er die zweite und dritte Salve - näher und von rechts. Tom hetzte weiter in Richtung Lärm. Er hoffte, seine Brüder und seinen Vater irgendwie verteid i gen zu können. Schließlich hatte er eine Machete; er hatte mit ihr einen Jaguar und eine Anakonda getötet - warum also nicht auch Hauser?
Dann brach er unerwartet aus dem Dickicht hervor und befand sich im Sonne n schein. Fünfzig Meter vor ihm lag der Rand des Abgrundes, glattes Felsgestein, das über fün f zehnhundert Meter in ein finsteres Gewaber aus Dunst und Schatten hina b fiel. Er stand am Rand der riesigen Schlucht. Als er nach rechts schaute, sah er die elegante, gewölbte Hängebrücke sacht im Aufwind schaukeln.
Hinter ihm tönte weiteres Gewehrfeuer. Er nahm
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