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Der Codex

Titel: Der Codex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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blecherne Motor heulte und bebte. Das lange Holzkanu bewegte sich durchs Wasser. Tom steuerte, Sally stand derweil am Bug und sondierte den vor ihnen Hegenden Fluss mit der Taschenlampe.
    Keine Minute später schrie Manuel am Anlegeplatz: »Hilfe! Ich bin beraubt worden! Mein Boot! Sie haben mein Boot gestohlen!«
    »Herrgott, der hat aber nicht lange gewartet«, murmelte Tom.
    Kurz darauf trieb ein aufgeregtes Stimmengewirr über den dunklen Fluss auf sie zu. Dann hüpfte der helle Strahl eines Scheinwerfers die Uferstraße hinunter und beleucht e te im Verein mit diversen Taschenlampen eine Mensche n ansammlung, die an der wackeligen Anlegestelle zusa m mengeströmt war. Eine Stimme schrie etwas in englischer Sprache. Es war Leutnant Vespán. »Drehen Sie um, sonst befehle ich meinen Leuten, das Feuer zu eröffnen!«
    »Der blufft doch nur«, sagte Sally.
    Tom war sich nicht ganz so sicher.
    »Glauben Sie bloß nicht, dass ich scherze!«, schrie der T e niente.
    »Der schießt doch nie«, meinte Sally.
    »Eins ... zwei ...«
    »Das ist doch nur ein Maulheld«, sagte Sally.
    »Drei ...«
    Stille.
    »Na, was hab ich gesagt?«
    Urplötzlich knallte eine Salve aus automatischen Waffen über das Wasser hinweg. Sie war entsetzlich laut und sehr nah.
    »Scheiße!«, schrie Tom und warf sich zu Boden. Als das Boot vom Kurs abkam, griff er mit einer Hand schnell nach oben und packte den Motorgriff.
    Sally stand noch immer unbeeindruckt am Bug. »Die schießen doch nur in die Luft, Tom. Die werden das Risiko nicht eingehen, uns zu treffen. Wir sind doch Amerikaner.«
    Eine zweite Feuersalve ertönte. Diesmal hörte Tom deutlich, wie die Kugeln um sie herum ins Wasser klatschten. Sally warf sich sofort neben ihm auf den Boden des Ei n baums. »Gütiger Gott!«, schrie sie. »Die schießen wirklich auf uns!«
    Tom schob den Steuerknüppel zur Seite und setzte zu e i nem jähen Ausweichmanöver an. Noch zweimal wurden kurze Salven abgefeuert. Diesmal hörte er das Jaulen der Kugeln über und links von ihnen. Die Soldaten richteten sich offenbar nach dem Motorengeräusch und schossen mit ihren Automatikwaffen über das Wasser hinweg. Sie hatten eindeutig die Absicht, sie zu töten.
    Um den Schützen kein Ziel zu bieten, ließ Tom das Boot einen Zickzackkurs fahren. In jeder Pause hob Sally den Kopf und beleuchtete den Weg mit der Taschenlampe, d a mit sie sahen, wohin sie fuhren. Sobald die Flussbiegung hinter ihnen lag, würden sie - jedenfalls im Moment - sicher sein.
    Wieder ertönte eine Salve. Diesmal schlugen mehrere Kugeln ins Dollbord ein und übersäten sie mit Splittern.
    » Scheiße!«
    »Wir kriegen euch schon!«, rief die nun schwächer klingende Stimme des Leutnants. »Wir finden euch, und dann wird es euch für den Rest eures kümmerlichen Lebens sehr Leid tun!«
    Tom zählte bis zwanzig, dann riskierte er noch einmal einen Blick nach vorn. Das Boot hatte die Biegung nun fast erreicht und befand sich außerhalb der Schussweite. Er steuerte so nahe an die Mauer aus wild wuchernden Pfla n zen heran, wie er sich nur traute. Als die Flussbiegung hi n ter ihnen lag, flackerten die Lichter der kleinen Anlegestelle noch einmal durch die Äste und verschwanden.
    Sie hatten es geschafft.
    Dann ertönte wieder eine, diesmal jedoch nur halbherzig abgefeuerte Salve. Im Dschungel links von ihnen hörte Tom ein Klicken und Klacken. Die Bäume hielten die Kugeln auf. Dann erstarben die Geräusche. Der Fluss wurde still.
    Tom half Sally auf die Beine. Ihr Gesicht war im matten Licht fast gespenstisch weiß. Er leuchtete mit der Taschenlampe um sich. Zu beiden Seiten des dunklen Flusses ra g ten dichte Wälder auf. Ein einzelner Stern funkelte kurz an einem freien Stück Himmel, und als sie sich weiterbewe g ten, blinkte und flackerte er zwischen den Baumwipfeln. Der kleine Motor heulte vor sich hin. Im Moment waren sie allein auf dem Fluss. Eine finstere, schwüle Nacht hüllte sie ein.
    Tom nahm Sallys Hand und bemerkte, dass sie zitterte. Erst da wurde ihm bewusst, dass es ihm nicht anders e r ging. Die Soldaten hatten auf sie geschossen. Sie hatten sie töten wollen. Er hatte dergleichen zigtausend Mal im Kino gesehen, aber wenn man selbst das Ziel abgab, erlebte man die Sache doch völlig anders.
    Hinter der Dschungelwand ging der Mond unter. Finste r nis hüllte den Fluss ein. Tom schaltete die Taschenlampe an, um zu sondieren, was vor ihnen lag. Dann umfuhr er im Wasser liegende Baumstümpfe und seichte Stellen. Eine

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