Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
Vom Netzwerk:
klären müssen. Wenn Sie uns dabei helfen
könnten, Herr Breithut, dann wären wir schon einen großen Schritt weiter. Aber
ich vertraue da ganz auf Ihre Fachkompetenz. Sie werden mir sicherlich sofort
sagen können, was für eine Tabakware das ist, wenn Sie sie sehen.« Fidibus
strahlte den kleinen Mann an, was auch dem Stolz darüber geschuldet war, dass
er sich endlich zum Kern der heutigen Tagesaufgabe vorgearbeitet hatte.
    Leider
reagierte Breithut nicht im Sinne Suckfülls, sondern schaute ihn nur abwartend
an. Fidibus blickte einige endlos lange Sekunden zurück, dann wollte er wissen,
was dieses Starren zu bedeuten hatte.
    »Äh, ja,
Herr Breithut, ich weiß jetzt nicht, wie wir – also, was ist jetzt?«,
fragte er ratlos. Seinen Teil der Absichten hatte er doch klar und deutlich
artikuliert, oder etwa nicht?
    »Die
Zigarette«, sagte Breithut geduldig, »die müsste ich schon sehen, Herr
Suckfüll. Ich bin Fachhändler und kein römischer Augur, Sie verstehen?«
    Wieder
dauerte es drei Sekunden, bis das große Begreifen bei Fidibus einsetzte. Dann
jedoch fuhr seine rechte Hand blitzartig in die Innentasche seines Jacketts,
holte eine kleine Plastiktüte mit der russischen Zigarette hervor und legte
diese vorsichtig auf die Ladentheke zwischen sich und Philipp Breithut.
    Der nahm
die Tüte, öffnete sie und schüttelte sie vorsichtig. Die Zigarette rollte in
die Mitte des Tresens und blieb dort liegen. Breithut berührte sie nicht etwa,
sondern holte aus einer Schublade eine große Lupe, mit der er das gute Stück
langsam und gründlich von allen Seiten betrachtete. Als er sich wieder
aufrichtete, murmelte er etwas in seinen nicht vorhandenen Bart, das wie
»hochinteressant« klang. Dann trat er hinter seinem Tresen hervor und ging zur
großen Rollleiter, die an dem einen Wandschrank angelehnt war. Er schob die
abgewetzte Leiter ungefähr einen Meter auf die Seite und stieg das Monstrum bis
ganz nach oben hinauf, wo es keine Schubladen mehr gab, sondern nur noch alte
Ordner- und Fachliteraturstapel. Mit einem dünnen Buch mit kyrillischer Beschriftung
kletterte Breithut die Leiter wieder herunter, um sich sofort wieder hinter die
Theke zu begeben.
    Fidibus
besah sich die ganze Szenerie und hielt lieber erst einmal den Mund. Breithut
wirkte so konzentriert, als wäre er in einer anderen Welt. Tief über das
aufgeschlagene Buch gebeugt verglich er die Abbildungen Seite für Seite mit der
Zigarette, bis er schließlich etwas gefunden zu haben schien, denn er
verschwand samt Zigarette und Buch in seinen nicht öffentlichen Gemächern. Kurz
darauf konnte Suckfüll hören, dass er telefonierte. Das Gespräch zog sich hin,
sodass Fidibus zwischendurch immer wieder durch die Schaufensterscheibe nach
draußen schaute, um zu eruieren, ob gewisse Verrückte noch in der Nähe
herumlungerten, um ihn eventuell später wieder akustisch zu belästigen. Doch
der Sänger war nirgendwo mehr zu sehen. Plötzlich wurde es im Hinterzimmer
still, Breithut kam mit seinen Utensilien zurück in den Verkaufsraum und legte
alles wieder vor sich auf den großen Tresen.
    »Und?«,
fragte Fidibus. Er war sehr gespannt, ob Breithut es tatsächlich geschafft
hatte, die Herkunft der Zigarette zu klären.
    »Wirklich
knifflig«, erwiderte der Tabakexperte ruhig, und Suckfülls Hoffnung begann
gleich wieder zu schwinden. »Knifflig, aber nicht unmöglich. Ich hatte schon
einmal eine Schachtel ähnlicher Zigaretten hier im Laden. Das war kurz nach der
Grenzöffnung in den Neunzigern. Aber bei uns wollte das Zeug niemand rauchen.
Ist eher was für Sammler. Den Händler von damals aus Jena gibt’s allerdings
noch. Der besorgt die Dinger aus der Ukraine. Soll heißen, ich kann Ihnen mit
fünfundneunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit sagen, wie alt die Zigarette ist
und für wen sie hergestellt wurde.« Er lächelte Fidibus an, welcher freudig
zurücklächelte. Doch so einfach war die Sache nicht. Es galt, einen Preis zu
zahlen. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Herr Suckfüll. Ich verzichte für die
Auskunft auf ein Beraterhonorar, dafür darf ich die Zigarette behalten. Was
sagen Sie dazu?«
    Fidibus
überlegte kurz. Sie hatten von den Dingern massenweise im Gartenhaus des Barons
sichergestellt. Da kam es auf diese eine wirklich nicht an. »Abgemacht, Herr
Breithut«, sagte er sehr dienstlich und war damit in der Welt angelangt, in der
er sich auskannte.
    »Wunderbar«,
sagte das kleine Männlein erfreut, »dann will ich Sie also mal

Weitere Kostenlose Bücher