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Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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langen
schwarzen Haaren. Ihre Augen waren so dunkel wie ihre Haare und blickten
zurückhaltend, aber fröhlich. Sie sah nicht so aus, wie man sich eine
Norwegerin gemeinhin vorstellte. Sie war weder groß noch blond und trug auch
keinen Norwegerpulli, sondern ein weißes Hemd, das sie lässig in ihre
ausgewaschene Jeans gesteckt hatte. HG hatte
seinen Arm um sie gelegt, als hätte er gerade eine Gefangene gemacht, die er
nie mehr loslassen wollte. Tina hatte recht. Das hier war zwar nur ein Foto,
ein Schnappschuss, und trotzdem wirkten die zwei wie aneinandergeklebt. Selbst
ein Blinder konnte sehen, dass Yin hier auf Yang getroffen war. Lagerfeld legte
das Bild wieder auf die Seite und schaute Tina erwartungsvoll an. »Und wie
ging’s dann weiter?«
    Tina
musste tief durchatmen, bevor sie ihm antworten konnte. »Skipper hatte mit
seinem Geschäftspartner diesen Job im Nordmeer angenommen. Irgendetwas mit
Meeresbodenuntersuchung, Manganknollen, glaube ich. Genaueres hat er mir nie
erzählt, es hat mich aber auch nicht besonders interessiert, wenn ich ehrlich
bin. Der Job sollte maximal vier Wochen dauern, er und sein Geschäftspartner
Tom Romoeren hätten richtig gut verdient. Eine Anzahlung hatten sie schon
bekommen und warteten im Prinzip nur auf gutes Wetter. Oben im Nordmeer
brauchst du gutes Wetter mit wenig Wellengang, sonst macht dich die See fertig.
Der arktische Sommer ist nicht wirklich warm, und das Wasser hat vielleicht
fünf Grad, wenn’s hochkommt. Marit hatte ihn anscheinend gefragt, ob sie nicht
mitkommen könne. Sie hatte noch knapp sechs Wochen frei, und die Arbeit würde
sie auch interessieren. Du kannst dir vorstellen, wie begeistert Skipper war,
als er das hörte. Seit er wusste, dass Marit ihn begleiten würde, betrachtete
er den Job eher als Urlaub denn als Arbeit. Obwohl so ein Mini-U-Boot, weiß
Gott, eine hoch komplizierte Sache ist. Selbst für so einen sorgfältigen, peniblen
Perfektionisten wie Skipper.«
    »Moment
mal«, warf Lagerfeld ein, »ein Mini-U-Boot? Was hat HG mit einem Mini-U-Boot zu schaffen?«
    Tina
lächelte müde. »Dein alter Kumpel ist nicht nur ein ausgezeichneter
Hubschrauberpilot, sondern auch ein cleverer, weitsichtiger Geschäftsmann. Er
hat sich ein sogenanntes ROV gekauft. Ein
ferngesteuertes kleines U-Boot, mit dem man auch in großen Tiefen arbeiten
kann, ohne dass ein Mensch runtergeschickt werden muss. Er hat das ROV sogar noch eigenhändig umgebaut und verbessert,
sodass er als einziger privater Unternehmer in ganz Europa in großer Tiefe
flexen und sogar schweißen kann. Das ROV wird
einfach auf ein Schiff geladen und zu seiner Einsatzstelle gebracht. Dort hebt
es ein Kran ins Wasser – den Rest besorgt dann Skipper mittels
Fernsteuerung von einem ganz normalen, aber umgebauten Schiffscontainer aus.
Seine gesamten Ersparnisse hat er in dieses Projekt gesteckt. Allerdings kamen
zuerst nur ein paar kleinere Aufträge von Ölfirmen und Forschungsgesellschaften
rein, die ihn anmieteten. Die haben ihn finanziell gerade mal so über Wasser
gehalten. Er hat zu mir gesagt, seine finanziellen Reserven würden für ziemlich
genau zwei Jahre reichen, dann müsste seine Geschäftsidee so viel Gewinn
abwerfen, dass er davon leben könnte. Dieser Auftrag war sein erster
lukrativer, der vermeintliche Einstieg ins ganz große Geschäft. Tom, dem das
Arbeitsschiff gehört, war total begeistert, als er davon hörte.«
    »Und was
war das genau für ein Auftrag? Er muss doch irgendwann mal etwas darüber
erzählt haben«, sagte Lagerfeld.
    »Nein,
jedenfalls nichts Genaues. Er sei zur Verschwiegenheit verpflichtet worden, hat
er stolz erzählt. Aber ich glaube, dass er es selbst nicht hundertprozentig
wusste. Der Auftraggeber hatte nur abgefragt, was er mit seinem Tauchboot in
welcher Tiefe alles machen kann. Irgendwann fiel auch der Name der Bäreninsel,
auf Norwegisch: Bjørnøya. Ein bisschen hat sich das Ganze nach so einer Art
Schatzsuche angehört. Für HG aber war das
Allerwichtigste, dass die Kunden einfach mal so zweihunderttausend Euro
angezahlt hatten.«
    Lagerfeld
rollte mit den Augen und ließ die Summe auf sich wirken. Zweihunderttausend
Euro. Davon konnte man viele Unterhosen kaufen.
    »Ende
August letzten Jahres sind dann alle drei, Tom, HG und Marit, ins Nordmeer aufgebrochen«, fuhr Tina Schweigert fort. »Wir hörten
über vier Wochen nichts mehr von ihnen, dann tauchte Ende September plötzlich
ein Lastwagen mit Skipper und einem langhaarigen blonden Kerl

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