Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
Vom Netzwerk:
dem Tinnitus im rechten Ohr nachspürte.
    »Also,
ich fand das ziemlich unterhaltsam«, sagte Bohl völlig unerwartet, und die
Frauen auf dem Kellersofa kriegten sich nicht mehr ein.
    »Du
fandest das gut?«, fragte die Blondine ungläubig.
    »Nicht
direkt gut, aber unterhaltsam«, versuchte der oberste Juror seine Haltung zu
erklären. »Musikalisch ist unser Auserwählter ein Rohrkrepierer, aber ich habe
mich amüsiert. Außerdem habe ich noch nie jemand so laut schreien gehört. Als
Singen kann man das ja wirklich nicht bezeichnen.«
    Der
Sänger ging zwei Schritte auf ihn zu. »Wie maanst etzerd des?«, fragte er mit
drohender Stimme.
    »Ich
meine, dass du nicht singen kannst, du Auserwählter, aber das, was du da tust,
kannst du dafür sehr laut. Mal ehrlich, dein Gekrächze hört sich ja an, als
würde jemand permanent in eine Blechdose hineinrülpsen. Aber das macht nichts,
Meister. Also, auch wenn du vom Singen her ein totaler Flachbeutel bist, von
mir aus kommst du weiter in die nächste –«
    Der
Auserwählte brauchte nur einen Schritt Anlauf, um die zwei Meter zwischen sich
und Detlef Bohl zu überwinden. Der große Tisch kippte nach hinten, ebenso wie
Bohl auf seinem Stuhl. Dann schlossen sich knochige Finger eisenhart um den
Hals des Fernsehpromis.
    »So, ich
kann also net singa?«, schrie der Sänger außer Rand und Band. »Ich kann also
net singa, maanst du?« Die nächsten Minuten gingen in einem Chaos unter, dann
erst schafften es mehrere austrainierte Techniker des Studios, den Chefjuror
und Promi aus den Klauen des auserwählten Sängers aus Coburg zu befreien.
Sekunden später begann die Werbepause, die ungewöhnlich lang dauerte.
    Im Keller
der Loffelder Mühle drohte die Kellerbelegschaft vor Lachen keine Luft mehr zu
bekommen.
    »Der
Auserwählte«, brachte Ute von Heesen hervor, während die anderen noch nach Luft
schnappten. Es war einfach alles zu viel.
    Nachdem
sich die drei beruhigt hatten, hob Manuela Rast grinsend ihr Weinglas. »Auf
unseren Sänger, der hat’s ja echt krachen lassen!«
    »Aber so
richtig! Prost, Mädels, auf den Abend! Ich danke euch«, brachte Ute von Heesen
einen Toast aus.
    Anschließend
wurde der Abend, der bis kurz vor Mitternacht andauerte und sich auch im weiteren
Verlauf im Keller abspielte, weil es dort so gemütlich war, immer
feuchtfröhlicher. Der Kellerraum erinnerte die Frauen an früher, als sie sich
als kleine Mädchen noch Höhlen im Wald gebaut hatten. Das einzig Lästige war
die massive Holzplatte, die jedes Mal aufgestoßen werden musste, wenn man auf
die Toilette wollte. Doch alles in allem entpuppte sich der alte Mühlenkeller
als so schön, dass sie sich in ihrem angeheiterten Zustand schließlich ihre
Matratzen und Schlafsäcke schnappten und für die Nacht ins Untergeschoss zogen.
    Honeypenny
schloss als Letzte die Platte und stellte den Wecker ihres Handys. »Jetzt wird
geschlafen, Herrschaften, und morgen früh ist der Spaß wieder vorbei«, gab sie
die Gruppenleiterin. Sie war gerade noch einmal mit Riemenschneider Gassi
gegangen und hatte für das kleine Ferkel einen Teppichrest als Schlafunterlage
besorgt, was Riemenschneider ihr hoch anrechnete. Dann knipste Honeypenny das
Licht aus und legte sich mit einer dicken Bundeswehrdecke auf ihre Matratze.
Wenige Minuten später schliefen alle weiblichen Lebewesen in der Loffelder
Mühle tief und fest.
    Sie
wusste nicht, wie lange sie geschlafen hatte, als sie von einem unbekannten
Geräusch geweckt wurde. Sie setzte sich auf ihrer Schlafunterlage auf. Da war
es schon wieder! Ein dumpfes Geräusch, das von oben, mutmaßlich aus Richtung
Haustür kam. Sie horchte. Alle anderen schienen sich noch brav im Tiefschlaf zu
befinden.
    Von oben
war zähes Splittern von Holz zu hören, das entstand, wenn man mit einem
Hebeleisen etwas aufbrach. Es folgten ein dumpfes Wummern, dann ein Krachen und
wieder das Geräusch von splitterndem Holz. Sie stellte ihre rosa Ohren auf und
folgte in der Dunkelheit ihren feinen Sinnen bis zum Fuß der Treppe. Von oben
konnte man jetzt schwere Schritte hören. Jemand ging von Zimmer zu Zimmer. An
den ersten feinen Gerüchen, die zu ihr herunterdrangen, erkannte sie, dass dort
oben ein Mann unterwegs war. Einer, der wesentlich strenger roch, als sie es
jemals tun würde, stellte sie befriedigt fest. Es schien ihr, als würde der
Mann ein Bein ein wenig nachziehen, da er mit ihm nicht richtig auftrat.
Irgendwann blieb die Person genau über ihr auf der Holzplatte stehen

Weitere Kostenlose Bücher