Der Colibri-Effekt
Gerätschaften fachgerecht zu bergen. Hören Sie genau zu, denn
anschließend wird er zu einem sehr fröhlichen Trottel mutieren. Diese Phase
dauert ein paar Minuten, dann wird sein Gehirn wertloser Brei sein, und er wird
nur noch als Fischfutter zu verwerten sein. Und damit komme ich auch schon zum
zweiten Punkt.« Moen lächelte kalt. »Sollten wir irgendwann feststellen müssen,
dass Sie oder Ihr Kollege hier uns etwas verschweigen oder uns gar verarschen
wollen, dann werden auch Sie in den Genuss dieser netten Prozedur kommen, meine
Herren. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie vorhatten, Ihr Leben so zu
beenden, oder?« Er schaute von HG zu Tom
Romoeren.
»Was ist
das für ein Zeug, das Sie ihm gespritzt haben?«, fragte Tom völlig außer sich.
Moen
lächelte gönnerhaft, als müsste er auf dem Wandertag einem Schüler etwas
erklären. Im Hintergrund begann Leontiew das Licht an der Decke anzugrinsen und
zu kichern.
»Das
Zeug, wie Sie es zu nennen belieben, ist in bestimmten Kreisen unter den Namen
›Deep Blue‹ oder ›Blaukehlchen‹ bekannt. Extrem praktisch und zuverlässig. Am
Anfang seiner Karriere wurde es als eine Art K.-o.-Tropfen für widerspenstige
Discoschlampen eingesetzt, ist aber in Mitteleuropa leider kaum noch zu
kriegen. Mittlerweile werden wir aus dem Iran beliefert. Ich habe ja schon gute
Verbindungen, aber da wäre ich ohne die Jungs hier nie herangekommen«, sagte
Dag Moen mit professioneller Hochachtung.
HG hatte begriffen, wie der
Hase lief. Die kleine Bemerkung Moens hatte ihm auf einen Schlag die Tür
geöffnet, sodass er nun den großen Zusammenhang verstand.
»Also der
Iran!«, stieß er überrascht hervor. »Es ist gar nicht Rutger, der das alles
hier bezahlt. Die sollen nur die Bombe hochgehen lassen, aber finanziert wird
das Ganze aus dem Iran.«
Dag Moen
lachte laut auf, und Leontiew stimmte kichernd ein. »Ja, wen haben wir denn
da?«, meinte Moen höhnisch. »Einen Schnellmerker?«
»Aber
seit wann arbeiten islamische Fundamentalisten mit Rechtsradikalen zusammen?
Das ergibt doch keinen Sinn. Die einen bekämpfen die anderen doch bis aufs
Blut«, wunderte sich HG .
»Gott,
Jahn, in welcher Welt leben Sie eigentlich?«, sagte Moen jetzt fast väterlich.
»Beide Gruppen werden durch einen gemeinsamen Feind geeint: durch die
Amerikaner. Rutger und seine braunen Kumpane haben nichts anderes vor, als ihre
schöne deutsche spießbürgerliche Demokratie abzuwickeln und dann eine Art
braunen Sozialismus aufzuziehen, wenn ich das richtig verstanden habe. Und für
solch ein ambitioniertes Vorhaben kommen zwei russische Atomwaffen gerade
recht. Wenn so ein Gefechtskopf mit der mehrfachen Wirkung der Hiroshima-Bombe
neben dem größten amerikanischen Militärflughafen in Europa hochgeht, dann ist
unserem Rutger hier genauso gedient wie den potenten Geldgebern aus Ahmadi
Country in Teheran. Ich glaube, hier in Norwegen wird man in der nächsten Zeit
ein ganzes Stück sicherer leben als in ›good old Germany‹ .«
Er lächelte, als hätte er HG gerade das Märchen
vom Wolf und den sieben Geißlein erzählt.
Bei Jahn
schrillten sämtliche Warnglocken. Rutger plante einen atomaren Anschlag auf den
größten Militärstützpunkt der Amerikaner in Europa. Auf Ramstein. HG wurde heiß und kalt. Der Plan könnte ohne Weiteres
klappen. Hätten sie erst einmal die Torpedoköpfe, dann schaffte es jeder
bessere Elektriker, die Dinger irgendwie zu zünden. Die alten Torpedos waren
noch nicht so gut elektronisch gesichert wie die heutigen, damals hatte sich
noch niemand Gedanken über terroristische Fanatiker gemacht, die Atombomben
klauen wollten. Damals hatte noch Kalter Krieg geherrscht.
Verzweifelt
schaute er Tom an, aber der hatte nur Augen für Dag Moen, der Jahn einen Block
und einen Bleistift in die Hände drückte und sich zu Leontiew gesellte. Der
ehemalige Offizier strahlte inzwischen über das ganze Gesicht. Was dann kam,
brannte sich in Jahns Gedächtnis ein wie nichts zuvor in seinem Leben.
Bereitwillig antwortete Leontiew auf jede der ihm gestellten Fragen und machte
sogar begeistert technische Anmerkungen zu der kleinsten Kleinigkeit. Seine
Auskünfte waren so umfassend, dass HG anschließend eine komplette Dissertation über russische Torpedotechnik hätte
schreiben können. Doch dann, nach etwa zwanzig Minuten, verschlechterte sich
der geistige Zustand Leontiews zusehends, und kurz darauf redete er nur noch
zusammenhangloses Zeug. Einer der Zwillinge, es war Hans,
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