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Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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Moritz Kiesler misstrauisch.
    »Ich
werde jetzt erst das Transportnetz testen«, antwortete Jahn. »Es macht ja
keinen Sinn, alles auf eine Karte zu setzen. Wenn ich den Gefechtskopf beim
Auftauchen verliere, war alles umsonst.«
    Dag Moen
nickte, während Moritz Kiesler ihn argwöhnisch fixierte. Für Jahn war es
offensichtlich, dass der eine Zwilling mit morbidem Hang zu Hieb- und
Stichwaffen ihm nicht traute. Aber auch Hans Kieslers Hand lag an seiner
Pistole. HG versuchte sich wieder auf seine
Aufgabe zu konzentrieren, auch wenn die ihm heute besonders schwerfiel.
    Am Morgen
des heutigen Tages, vor dem entscheidenden Tauchgang, hatte er endlich Marit
wiedersehen dürfen. Zwölf Tage hatte er auf der »Bardal« mit der Arbeit am U-Boot
in Begleitung seiner Bewacher verbracht, erst gestern Abend waren sie mit dem
Arbeitsschiff des toten Tom zur Bäreninsel zurückgekehrt, und heute Morgen
hatten sie ihn auf die »Tirpitz« zu Marit gebracht. Sie schien zwar um Jahre
gealtert zu sein, aber es ging ihr anscheinend so weit gut. Sie rannte auf ihn
zu und warf sich ihm in die Arme. Er nahm ihren Kopf in die Hand und flüsterte
ihr etwas ins Ohr, was er womöglich noch bereuen würde.
    »Hau ab,
heute noch«, flüsterte er zwei Mal.
    Sie hatte
ihn erst verblüfft, dann erschrocken angeschaut, aber bevor er noch irgendetwas
Erklärendes hinzufügen konnte, hatten ihn seine Bewacher wieder in das
Schlauchboot geschafft und weggebracht.
    Das
Wiedersehen war wohl eine Andeutung von Dag gewesen, dass sie bald wieder
zusammen sein könnten, wenn er seine Arbeit an dem Torpedo erfolgreich beendet
hatte. Und trotzdem war sich Hans Günther Jahn längst sicher, dass Marit und er
Todgeweihte waren. Sobald der Torpedokopf sich an Bord befand, würde man sie
beide, ihn und Marit, hinrichten. Und zwar weder kurz noch schmerzlos, darüber
machte er sich keine Illusionen. Während der Unterwasserarbeiten hatte sich
herausgestellt, dass er wohl nur einen Gefechtskopf würde bergen können, denn
der andere lag unerreichbar hinter verbogenen Torpedoschächten verkeilt. Nein,
wenn sie hatten, was sie wollten, war es für ihn und Marit vorbei. Das
deutlichste Indiz dafür war der Umstand, dass Sedat und ein paar Skins Marit
mit dem zweiten Schlauchboot von Moens Motorjacht zum sogenannten Führerbunker
an Land gebracht hatten. Sie gingen jetzt auf Nummer sicher.
    Er wusste
auch nicht, warum er die Worte zu Marit gesagt hatte. Es war eine spontane
Eingebung gewesen. Wenn er die Situation real einschätzte, hatte sie keine
Chance zu entkommen, egal, wie auch immer sie es anstellte. Aber wenn nicht
jetzt, wann dann? Die Aufmerksamkeit von Dag und Rutger war heute
ausschließlich auf ihn und sein Tauchboot gerichtet.
    Er durfte
seine Gedanken nicht schweifen lassen, er musste jetzt seine Fracht
heraufholen. Er hatte sich für diesen Test einen Edelstahlzylinder ausgesucht,
den er im Torpedoraum zwischen den Reglerarmaturen gefunden hatte. Der Zylinder
hatte ungefähr die Maße eines fünfzig Zentimeter langen Ofenrohres, das auf
beiden Seiten mit einem massiven Deckel verschlossen war. Er hatte keine
Ahnung, was in diesem Behälter war, aber zum Testen des Transportnetzes war das
auch nicht notwendig. Er steuerte das ROV zu dem
mit Meerestieren bewachsenen Zylinder und griff mit seinen beiden Roboterarmen
von beiden Seiten zu. Er musste ein Mal kurz mit den ferngesteuerten Armen
ruckeln, um das Objekt von seiner eingewachsenen Umgebung zu lösen, dann aber
konnte er es aus dem engen Zwischenraum in der »Komsomolez« herausziehen. HG steuerte das ROV aus
dem aufgeschnittenen U-Boot heraus und brachte es in etwa fünf Meter Entfernung
zum Stillstand. Die Anwesenden hinter ihm verfolgten gebannt sein äußerst
kompliziertes Tun.
    Jahn
klappte eine Art trapezförmigen Kescher unter dem ROV hervor, bis sich dieser genau unter dem Edelstahlzylinder befand. Dann öffnete
er die großen Klauen der Greifarme, das Objekt löste sich und fiel langsam in
das Trapez. HG atmete durch und wischte sich den
Schweiß von der Stirn. Das war geschafft.
    »Jetzt
muss ich das Ding nur noch unfallfrei herauftransportieren.« Aber auch das war,
Gott sei Dank, kein Problem. Nach einer knappen Stunde vorsichtigen Aufstiegs
durchstieß das ROV die Meeresoberfläche, HG angelte sich das kleine U-Boot mit dem Spezialkran
der »Bardal« und hievte alles zusammen auf das Bugdeck. Unter normalen
Umständen wäre das Toms Aufgabe gewesen. Jedes Mal, wenn HG jetzt Maschinen

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