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Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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war offensichtlich »not amused« über seine tierischen Zuwanderer. »Ich muss
die Viecher unbedingt loswerden, sonst sind meine Obstbäume irgendwann
Geschichte, die Erlen sind ihnen schon zum Opfer gefallen. Wissen Sie eigentlich,
was das für ein Aufwand ist, solche speziellen Sorten zu selektieren? Ein
Lebenswerk ist das. Und das werde ich mir von diesen plattschwänzigen
Fellteufeln nicht so einfach kaputt machen lassen. Ich werde meine
Doppelläufige holen und dann –«
    »Gar nichts
werden Sie, Herr Baron!« Fidibus war aufgesprungen und mit einem Schlag ein
völlig anderer Mensch. Verschwunden die zerstreute Schusseligkeit, in Luft
aufgelöst der Habitus des verwirrten Professors. Der Dienststellenleiter hatte
plötzlich auf Arbeitsmodus umgeschaltet und konnte offenbar auch streng. »Der
Biber gehört zur Gruppe der am besten geschützten Tierarten in diesem Land.
Wenn sich das seltene Tier auf Ihrem Grundstück niedergelassen hat, Herr von
und zu Rotenhenne, dann sollten Sie sich glücklich schätzen, einen solchen
Edelstein der Natur bei sich begrüßen zu dürfen.«
    Haderlein
war perplex. Sein zerstreuter Chef, ein engagierter Biberfreund und
Naturschützer? Wer hätte das gedacht.
    »Ich
selbst bin Mitglied in diversen Natur- und Tierschutzorganisationen, Herr
Baron, und kann Sie nur davor warnen, Hand an die prächtigen Nager zu legen.
Das würde erhebliche Konsequenzen finanzieller und strafrechtlicher Art nach
sich ziehen, und –«
    Haderlein
packte den mit offenem Mund und immer düstererem Blick dastehenden Baron am
Ärmel und zog ihn rasch aus dem Büro hinaus, bevor noch ein längerer Disput
über Biberschutz entstehen konnte. Als sie vor dem verglasten Büro standen und
Haderlein die Tür geschlossen hatte, hatte sich der Baron bereits wieder einigermaßen
im Griff.
    »Ein
fetter, Fell tragender Wasserbewohner soll also mehr Gewicht in der
Gesellschaft haben als ein verdienstvolles Mitglied dieses Landkreises? So so.«
Seine Lippen waren fest aufeinandergepresst, sein Blick sprach Bände. Das Bild,
das er bisher über die deutschen Ordnungsbehörden gehabt hatte, geriet gerade
bedenklich ins Wanken.
    »Wir
werden jetzt erst einmal einen Stock tiefer gehen und unser Phantombild
zeichnen, Herr Baron. Dort können wir uns auch eine Weile unterhalten. Über
Sie, über einen gewissen Hans Kiesler et cetera. Nicht einmal Biber gibt es
dort, dafür aber Kaffee. Sie werden sehen, dann sieht die Welt gleich ganz
anders aus«, sagte Haderlein, während er dem Baron vorausging. »Und
selbstverständlich können Sie anschließend auf Ihr Anwesen zurück. Die Leiche
wurde bestimmt schon in die Gerichtsmedizin transportiert, nur die
Spurensicherung wird noch ein paar Tage brauchen. Und natürlich sind Sie, Herr
Baron, nach momentanem Stand der Dinge, nicht verhaftet und können sich frei bewegen.
Ich würde Sie allerdings bitten, uns die Nummer Ihres Mobiltelefons zu
hinterlassen und sich bei uns abzumelden, falls Sie planen zu verreisen. Aber
anscheinend sind Sie ja sowieso entweder zu Hause oder auf Ihrer Baustelle
anzutreffen.«
    Haderlein
wollte gerade die Tür zum Treppenhaus öffnen, als er Ute von Heesen im
gesprenkelten Arbeitsblaumann bei Honeypenny sitzen sah. Die beiden Frauen
unterhielten sich.
    »Entschuldigen
Sie mich bitte kurz, Herr Baron«, sagte er und ging zu Ute von Heesen hinüber.
Er musste noch etwas loswerden, etwas sehr Grundsätzliches, bevor er sich dem
Phantombild widmen konnte.
    »Hallo,
Ute«, begrüßte er sie fröhlich.
    »Ah,
unser Herr Oberkommissar ist zurück«, frotzelte Honeypenny, während Ute von
Heesen ihn eher säuerlich anschaute.
    »Ich
hoffe sehr, dass Bernd bald fertig ist mit seiner Verbrecherarbeit. Er muss
nämlich noch seine Toilette fliesen, in der er zu wohnen beabsichtigt«, fuhr
sie Haderlein bissig an. »Außerdem will er wahrscheinlich noch ein Sofa, einen
Kühlschrank und einen Fernseher reinstellen – bei der Zeit, die er da drin
verbringt.«
    »Sehr
gutes Stichwort, Ute. Deinen Bernd kannst du allerdings fürs Erste vergessen.
Wir haben einen neuen, außergewöhnlichen Fall, und Bernd wird deswegen bis auf
Weiteres zum Renovieren ausfallen. Da gibt’s nichts dran zu rütteln.«
    Ute von
Heesen schaute ihn entsetzt an. »Wie bitte? Ich habe für unsere Renovierung
extra eine Woche Urlaub genommen, und jetzt soll ich alles allein machen?« Das
konnte doch nur ein extrem schlechter Scherz sein. Doch an der Miene Haderleins
konnte sie ablesen,

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