Der Colibri-Effekt
dass dem nicht so war.
»Das ist
zwar alles euer Bier, aber wenn du mich fragst, macht ihr zwei da gerade
irgendetwas grundlegend falsch.« Haderlein wollte wieder zurück zum Baron,
konnte jedoch nicht umhin, sich noch einmal umzudrehen. »Es geht mich ja
wirklich nichts an, Ute, aber Bernd ist heute megaschlecht drauf. Dass das
nicht so bleibt, wäre in deinem und meinem Sinne, und ich wäre dir wirklich
sehr verbunden, wenn du auf eurer Baustelle mehr hopfenhaltige Getränke und
weniger Eieruhren vorrätig hättest. Nur mal so als unverbindlicher Tipp aus der
Männerwelt.« Damit drehte er sich um und verschwand endlich mit Baron von
Rotenhenne durch die Tür.
Ute von
Heesen rollte mit den Augen, während Honeypenny sich ein Grinsen nicht
verkneifen konnte.
Einzelne
Sonnenstrahlen fielen bereits durch die Bäume. Dort vorn musste irgendwo der
Waldrand sein. Er verlangsamte seinen Schritt, blickte sich wachsam um. Circa
fünfzig Meter, bevor der schmale Weg aus dem Wald herausführte, schlug er sich
in die Büsche und arbeitete sich gebückt und lautlos durch das nordische
Dickicht vor. Am Waldrand bog er vorsichtig die Zweige eines Gebüsches
auseinander und spähte durch die schmale Lücke zur Straße am Fjord. Dort unten
stand das, was er sich erhofft hatte: ein silberfarbener Nissan Pick-up. Sein
prüfender Blick wanderte über die vor ihm liegende Landschaft. Bis zu dem
Fahrzeug waren es vielleicht hundert Meter, zehn weitere von dort bis zu der
Straße, neben der der Fjord begann, auf dessen anderer Seite die Felswände
steil nach oben ragten. Die Straße war nicht besonders breit, und bis jetzt war
auch kein einziges Fahrzeug vorbeigekommen. Er beschloss, abzuwarten und zu
beobachten. Im Schneidersitz setzte er sich hinter dem Gebüsch auf den Boden,
brach sich ein kleines Beobachtungsloch in den Busch und legte das Gewehr quer
über seine Beine.
»Das
Signal ist weg«, sagte der Mann mit dem kurzen schwarzen Bart und der dunklen
Sonnenbrille. Er steckte den Scanner in die Tasche seiner grünen Militärjacke,
hob den Feldstecher an die Augen und suchte Meter für Meter den Wald und den
Weg ab, der von ihm aus zum abgestellten Pick-up führte. Keine Auffälligkeiten.
Eine fast friedliche Stille lag über dem Fjord und dem Wald, der sich an dem
Flüsschen entlang in ein kleines Seitental schmiegte.
Auch der
andere Mann mit den gelockten schwarzen Haaren und dem kleinen untersetzten
Körperbau versuchte mit bloßen Augen zu erkennen, ob im Tal etwas vor sich
ging, doch das war ein hoffnungsloses Unterfangen. Sie standen an der Kante
einer Hochebene, die bis an den Rand der Felswand heranreichte, etwa
dreihundertfünfzig Meter hoch über dem Pick-up.
»Vielleicht
hat Gregory ihn ja doch schon erwischt«, meinte der Schwarzhaarige, aber der Mann
mit dem Bart lachte nur bitter auf.
»Das
glaubst du ja wohl selbst nicht. Außerdem wäre das das Dümmste, was uns
passieren könnte.« Er schaute seinen kleineren Kollegen an, ohne die Brille
abzunehmen. In den beschichteten Gläsern spiegelte sich die Frühlingssonne.
»Es war,
verflucht noch mal, Gregorys Entscheidung. Aber der Typ war ja schon immer zu
blöd, um auch nur irgendetwas zu begreifen. Gregory ist mindestens zwei Nummern
zu klein für ihn, und selbst wenn er Erfolg hätte, könnten wir uns alle einsargen
lassen. Wenn Gregory ihn erwischt, ist alles im Arsch, das verstehst du doch?
Dann ist er tot und hat alles, was er weiß, mit ins Grab genommen. Wir brauchen
ihn lebend. Vielleicht sollten wir ihn doch laufen lassen. Wenn wir ihm folgen,
wird er uns von ganz allein zum Ziel führen.«
Er drehte
sich wieder um und schaute erneut durch seinen Feldstecher, während er
weitersprach und der Schnee unter seinen Schuhen knirschte. »Nein, Gregory
trifft maximal Elefanten aus zwei Metern Entfernung – und auch das nur,
wenn sie still stehen. Mach dir keine Illusionen. Außerdem ist bisher kein
Schuss gefallen, und Schießen ist die einzige Art, auf die Gregory töten
kann – wenn überhaupt. Wenn du mich fragst, dann sind Gregory und sein
dämliches Faktotum längst auf der Reise in den Stümperhimmel.«
Der
kleine Angesprochene kapierte nichts von alldem, wollte sich aber keine Blöße
geben und fragte nicht weiter nach. »Ja, und? Was machen wir jetzt? Gehn wir
runter?«, wollte er stattdessen nervös wissen.
»Nein«,
sagte der Mann mit dem schwarzen Bart. »Wir warten.«
Er hatte
ungefähr eine Stunde still dagesessen und gewartet, ob, und
Weitere Kostenlose Bücher