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Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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alles zu bedeuten hatte.
Sein Gedächtnis weigerte sich, die Erinnerung freizugeben.
    »Wie ich
wirklich heiße und woher ich komme, das habe ich dir nicht zufällig erzählt,
Roald?«, fragte Skipper, hatte aber keine große Hoffnung.
    »Sagen
wir mal so. Letztes Jahr im Sommer, als du hier ankamst, hast du deinen Namen
mit Sicherheit kurz erwähnt, aber ich habe ihn nicht behalten. Keiner von uns.
Wir alle hier haben dich ziemlich schnell nur noch Skipper genannt. Und du
fandest das ja auch toll. Auf jeden Fall bist du Deutscher. Du hast mal
erzählt, dass du aus dem Süden Deutschlands, aus Bayern, kommst, aber –«
    »Aus
Bamberg? Komme ich vielleicht aus Bamberg?« Aufgeregt hielt Skipper Roalds Hand
wieder wie ein Schraubstock fest.
    »Genau,
aber du kannst mich wieder loslassen, Skipper. Und dann hast du andauernd
dieses Bamberg mit Bergen verglichen, weil beide Städte Weltkulturerbe sind und
so weiter und so fort. Wenn ich ehrlich bin, konnte ich es bald nicht mehr
hören. Mitte August hat dich dein Kumpel Tom Romoeren dann endlich abgeholt. Du
warst noch hier zum Mittagessen, dann bist du holterdiepolter mit Sack und Pack
auf Toms Schiff und los.« Skipper schwirrte der Kopf. Tom Romoeren? Wer war das
jetzt schon wieder? »Und damals hab ich dir das Päckchen zur Aufbewahrung
gegeben?«
    »Nein,
nein. Das war viel später.«
    »Später?«,
echote Skipper zunehmend verwirrt.
    Roald
fuhr fort in seiner Schilderung der Ereignisse. »Dann hab ich erst einmal
nichts mehr von dir gehört, bis du Anfang September plötzlich mit deinem
Fischkutter hier wieder aufgetaucht bist.«
    »Meinem
Fischkutter? Ich kam mit einem Fischkutter zurück?«, fragte Skipper ungläubig.
»Was wollte ich denn mit dem, zum Teufel?«
    »Tja, da
fragst du den Richtigen.« Roald zuckte mit seinen Schultern. »Mir hast du
jedenfalls nichts gesagt. Stattdessen wolltest du unbedingt mein Telefon hinten
in der Küche benutzen. Von dem hast du dann für über hundert Kronen
telefoniert. Nach tyskland , aber nicht nur dahin. Du
hast ziemlich fertig ausgesehen. Dann warst du mal da, dann wieder nicht, dann
warst du da, dann wieder nicht. So ging das drei Tage lang, bis ein blonder Typ
mit einem alten Laster aus Deutschland dich abgeholt hat.«
    »Ein Typ
mit einem Laster? Geht das vielleicht auch genauer?« Er verlor langsam den
Überblick. Für jede Antwort tauchten drei neue Fragen auf.
    »Nein,
leider nicht«, sagte Roald Hagestad. »Ich kann dir nur sagen, dass der Typ in
dem Laster etwas kleiner war als du und lange blonde Haare hatte. Ich hab ihn
kurz durchs Fenster gesehen, hereingebeten hast du ihn nicht.« Er bedachte
Skipper mit einem Blick, der wohl bedeuten sollte: »Wenn du dich mir damals
anvertraut hättest, könnte ich dir jetzt vielleicht auch helfen. – Der
Laster hatte ein deutsches Nummernschild. BA  irgendwas«,
fiel Roald noch ein.
    »Und
dann?« Skipper kam sich immer verlorener in seinem Leben vor.
    »Dann
seid ihr Richtung Hafen gefahren und verschwunden. Das war die ›Ha det bra, Roald. Jeg bare drar nå, men jeg kan ikke fortelle
hvorfor‹-aksjon . Mitte September letzten Jahres war Skipper dann nur
noch Geschichte. Das Einzige, was von ihm übrig geblieben war, lag drüben auf
der Theke in einem Briefumschlag. Als ich das Kuvert aufgemacht habe, war das
hier drin. Bitte.«
    Roald
griff in seine Hosentasche und legte einen Schlüssel mit Anhänger vor sich auf
den Tisch. Voller Neugier las Skipper, was auf dem alten zerkratzten Anhänger
stand. »Papegøyedykker – Ålesund«. Fragend schaute er Roald an.
    »Papageientaucher.
Das ist der Name von dem Seelenverkäufer, mit dem du Anfang September hier
angekommen bist. Liegt unten im Hafen. Und das hier ist der Schlüssel zu deinem
abgetakelten Boot«, sagte Roald trocken.
    »Was,
Boot? Ein Boot habe ich auch?« Die Augen des frisch gebackenen Bootskapitäns
wurden immer größer. »Entschuldige, aber ich muss sofort –«
    Er machte
Anstalten, aufzuspringen, um das Boot zu inspizieren, doch dieses Mal hielt
Roald ihn am Arm fest. »Du bleibst schön hier«, sagte er streng. »Ich bin noch
lang nicht mit dir fertig.« Er zog ihn wieder zurück auf seinen Stuhl. Die
wenigen verbliebenen Gäste hatten wieder ihre Köpfe in ihre Richtung gedreht,
aber Roald kümmerte das wenig. Trotzdem fuhr er in einem etwas gedämpfteren Ton
fort.
    »Ihr zwei
wart also weg, verschwunden. Nur das Boot war noch da. Natürlich habe ich den
Kahn gründlich untersucht, konnte aber

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