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Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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schieße!«
    Lagerfeld
hielt es zwar für unmöglich, dass der Baron mit seiner Drohung ihn meinen
konnte, zuckte aber trotzdem so heftig zusammen, dass ihm das Handy aus der
Jackentasche rutschte. Mit einem lauten »Pock!« fiel es erst auf die Sitzfläche
der Holzbank, dann mit einem kurzen trockenen Knirschen in den Kies.
    Sekundenbruchteile
später, Lagerfeld hatte keine Chance, auf das Missgeschick zu reagieren, fielen
zwei Schüsse. Die beiden Ladungen groben Schrotes zerfetzten die Rückenlehne
der Gartenbank, auf der vor einigen Momenten noch Lagerfelds Jacke gelegen
hatte. Das zersplitterte Holz flog in alle Richtungen und Lagerfeld vor Schreck
auf seinen Allerwertesten. Sein Mund öffnete sich zu einem Warnruf, aber dazu
sollte es nicht mehr kommen. Ein starker Arm umschlang ihn von hinten, eine
Hand legte sich über seinen Mund, ein zweiter Arm um seinen Brustkorb, dann
wurde er in das Dickicht aus Schilf und Gebüsch gezogen.
    Erschrocken
versuchte Lagerfeld die Pranke zu entfernen, die sich auf seinem Gesicht
breitgemacht hatte. Doch gegen solche Bärenkräfte hatte er keine Chance. Als
der Angreifer merkte, dass er sich wehrte, packten die Arme noch kräftiger zu
und schnürten ihm die Luft ab. All seine erlernten Judo- und Nahkampftechniken
hatten gegen eine solche Urgewalt keine Chance. Dann hörte Lagerfeld plötzlich
eine männliche Stimme leise an seinem Ohr flüstern.
    »Hör mit
dem Gezappel auf, Bernd, sonst sind wir beide im Arsch, verdammt noch mal. Hast
du verstanden?«
    Sofort
stellte Lagerfeld alle Befreiungsversuche seinerseits ein, doch die Hand auf
seinem Mund verharrte, wo sie war. Plötzlich tauchte nur wenige Meter vor ihm
die Silhouette eines Mannes im Nebel auf. Er hielt eine doppelläufige
Schrotflinte in der Hand, und Lagerfeld konnte undeutlich das fratzenhaft
verzerrte Gesicht des Barons erkennen. Seine hektischen Blicke sprachen eine
eindeutige Sprache. Er hatte Angst.
    Irgendetwas
verdammt Übles ging hier vor sich, das spürte Lagerfeld, während bunte Punkte
vor seinen Augen zu tanzen begannen. Dann fiel aus näherer Entfernung ein
weiterer Schuss, ein anderes Kaliber als zuvor. Lagerfeld sah, wie die Weste
des Barons auf der rechten Brustseite knapp unterhalb der Schulter aufgerissen
wurde. Blut quoll heraus. Die Gesichtszüge des Barons erschlafften, er konnte
sich noch umdrehen, dann fiel wieder ein Schuss, und er kippte auf die Seite.
    Lagerfelds
Sauerstoffvorrat neigte sich derweil dem Ende entgegen. Der Nebel war nun
überall, und Momente später versank sein Bewusstsein in einem tiefen, weichen
Nichts.
    In der
mysteriösen Schachtel lag auf farbigem Krepppapier eine Ampulle mit einer
durchsichtigen Flüssigkeit und ein zigarettenschachtelgroßes Gerät mit einem
Display. Er versuchte die Schrift auf der Ampulle zu entziffern, aber der
lateinische Fachbegriff sagte ihm nichts. Er legte Ampulle und Gerät vor sich
auf den Tisch, merkte aber dann, dass er etwas übersehen hatte. Auf dem
Schachtelboden, halb verdeckt vom Papier, lag ein Zettel. Er holte ihn heraus.
Es war eine Art Kantinenplan, in dem auf Deutsch die Gerichte der vergangenen
Woche aufgeführt waren. Am unteren Rand hatte jemand etwas hingekritzelt. Es
sah aus wie eine Telefonnummer, die anschließend durchgestrichen worden war.
Ratlos reichte er den Plan Roald.
    »Sagt dir
das irgendetwas?«, fragte er.
    Roald
schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Aber 0049 ist die Landesvorwahl für
Deutschland. Und das danach soll wohl eine Handynummer sein. Aber durch diesen
dicken Strich kann die ja kein Mensch mehr entziffern.« Er zuckte mit den
Schultern und wollte ihm den Kantinenplan zurückgeben, dann stockte er kurz und
schaute ihn sich noch einmal genauer an. »Da steht noch etwas«, meinte er mit
zusammengekniffenen Augen. »›Zwischen zehn und elf Uhr‹, aber man sieht’s nur
nicht auf den ersten Blick, da dem Kugelschreiber wohl zwischendurch die Tinte
ausgegangen ist. Die Buchstaben haben sich aber trotzdem tief genug in das
Papier eingedrückt.« Er gab ihm den Zettel zurück.
    »Das ist
alles?«, fragte Skipper halblaut. »Damit kann ich auch nichts anfangen. Und wer
ich bin, weiß ich immer noch nicht.« Frustriert nahm er die leere Schachtel,
drehte sie um und schüttelte sie, bis das Krepppapier herausfiel. Er
untersuchte sie von allen Seiten und erstarrte. Auf dem Schachtelboden prangte
ein großes schwarzes Hakenkreuz. Darunter standen zwei Buchstaben, groß und
fett: » HS «. Und unter ihnen,

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