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Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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klar?«
    Der
Polizist feixte ihn etwas verunsichert an. »Wenn Sie meinen, Herr
Kriminalhauptkommissar. Ich glaube, Sie sind ein wenig überarbeitet und
unausgeschlafen. Und wir wissen ja alle, wie Sie drauf sind, wenn Sie zu
wenig –«
    »Mitkommen!
Jetzt!«, befahl Haderlein barsch, und sie machten sich umgehend auf den Weg in
die angegebene Richtung.
    Der
Polizist leuchtete mit einer großen Taschenlampe vorneweg und blieb schließlich
an einem grauen Landrover Freelander mit Haderleins Kennzeichen stehen. Der
Hauptkommissar war wie vom Donner gerührt. Die Außerirdischen hatten sich als
real erwiesen. Das konnte doch unmöglich wahr sein! Aber
nichtsdestotrotz – das hier war sein Wagen. Er erkannte ihn sofort an dem
Dreck, der noch von der Fahrt zur Burgbaustelle an ihm klebte. Wortlos öffnete
er seine Brieftasche und zahlte wie betäubt seine Wettschuld an den sehr
zufriedenen Kollegen. Als er den Griff der Fahrertür betätigte, öffnete sie
sich. Der Freelander war nicht einmal abgeschlossen gewesen! Drinnen allerdings
fehlte der Zündschlüssel – genauso wie Lagerfeld.
    In
Haderleins Kopf begann es zu rotieren. Was hatte das jetzt schon wieder zu
bedeuten? Wieso stand der Wagen hier? Und wo steckte sein junger Kollege? Er
holte sein Handy heraus, versuchte Lagerfeld zu erreichen, erhielt aber nur
eine automatische Nachricht, dass dieser »temporarily not
available« sei. Wütend beendete er die Verbindung.
    »Und wie
lange steht mein Wagen schon hier?«, fragte er den Beamten.
    »Seit der
Einsatz läuft. Wir sind doch direkt an ihm vorbeigefahren, als wir ankamen.«
    Haderlein
stutzte. »Sie meinen, der Wagen war schon hier, bevor wir eintrafen?«, fragte
er entgeistert.
    Der
Beamte nickte. Wäre Haderleins Gehirn ein Atomreaktor gewesen, hätte in diesem
Moment die sofortige Kernschmelze eingesetzt. Das, was sich hier abspielte, war
doch völlig unmöglich und unlogisch. Der Super- GAU ,
der unter normalen Umständen nie hätte eintreten dürfen. Haderlein überlegte
fieberhaft. Wenn der Freelander hier stand, musste auch Lagerfeld in der Nähe
sein, was aber nicht der Fall war. Außerdem war er telefonisch nicht zu
erreichen.
    Der
Hauptkommissar ließ sich auf dem Fahrersitz nieder, um die Gesamtsituation zu
verdauen. Sein Blick wanderte über die Konsolen und den vorderen Innenraum in
der Hoffnung, etwas zu entdecken, was ihm zu einer sofortigen und allumfassenden
Aufklärung verhelfen könnte. Aber das Einzige, was ihm ins Auge fiel, waren
Lagerfelds Zigaretten inklusive Feuerzeug auf dem Beifahrersitz. Die
Zigaretten, das war’s. Er nahm die Schachtel an sich, sprang aus dem Auto und
hielt die Schachtel Riemenschneider unter die Nase.
    »Such,
Riemenschneider!«, rief er und griff sich die Leine des Suchferkels. Das ließ
sich den Befehl nicht zwei Mal sagen und schnüffelte kurz an der Packung –
der Geruch war ihr ja hinlänglich bekannt. Dann ging sie ab wie eine
Rakete – mit zwei Männern des polizeilichen Personals im Schlepptau.
    Die wilde
Fahrt fegte den gleichen Weg zurück, den sie gekommen waren, durchs
Rotenhenne’sche Hoftor hindurch, am Haupthaus vorbei durch den Hof bis in den
Garten. Riemenschneider hatte sich in ihre Aufgabe hineingesteigert und lief in
kurzem Galopp schnurstracks zu der zerschossenen Holzbank, neben der man den
Baron gefunden hatte. Dort blieb sie kurz stehen und beschnüffelte intensiv den
Boden. Schließlich bog sie im Neunzig-Grad-Winkel nach rechts ab und folgte den
tiefen Fußspuren bis zum Ufer der Baunach. Dort blieb sie stehen, schaute zum
gegenüberliegenden Ufer und knurrte tief und drohend in die neblige Nacht.
Schwer atmend hielten auch der Polizist und Franz Haderlein inne. Letzterer
wollte seiner Riemenschneiderin gerade belobigend über den Kopf streichen, als
diese plötzlich erstarrte. Sämtliche Haare standen ihr kerzengerade zu Berge,
ihr kleiner Rüssel schnüffelte panisch. Bevor Haderlein noch reagieren konnte,
rannte sie wie ein Windhund davon. An der Bank rutschte sie in der Kurve aus
und schlitterte mehrere Meter weit in die feuchte Wiese, berappelte sich aber
sofort wieder und blieb erst wieder an genau der Stelle stehen, an der
Haderlein sie heute schon einmal gerettet hatte.
    Der
Hauptkommissar ging mit dem Polizisten bis zur Bank zurück, neben der er
kopfschüttelnd stehen blieb. Auch Ruckdeschl gesellte sich dazu und erkundigte
sich, was der hektische Auftritt eben zu bedeuten habe. Doch niemand hatte eine
Erklärung.

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