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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Zimmermädchen?« fragte Rickmer.
    Ich zündete mir eine Zigarette an und trank den Weinbrand, den der Kellner auf den Tisch gestellt hatte, als ich telefonierte. Draußen trieb der Wind den Regen die Allee hinunter. Ich hob meine Unterarme, die Ellbogen blieben auf der Tischplatte. »Ich weiß es nicht. Auch nicht, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen den beiden Fällen.« Ich wandte mich an Rübezahl. »Und du bist immer noch in Uniform?«
    »Ja.« Er lachte. »Aber es war eher eine Folge von Zufällen als mein Plan. Nach dem Krieg Freikorps Oberland, dort traf ich den Kameraden Rickmer. Der kennt wiederum den General von Schleicher gut.«
    »Ich dachte, du wolltest Journalist werden.«
    »Das bin ich gewissermaßen auch geworden. Ich mache so was wie Pressearbeit im Truppenamt. Also Kontakte knüpfen,
    Informationen herausgeben ...«
    »Falsche Fährten legen«, sagte Rickmer und grinste.
    »Was war Seeckt, bei aller Wertschätzung, doch für ein sturer Hund! Er hatte nicht begriffen, dass die Reichswehr nur bestehen kann, wenn sie sich arrangiert mit den neuen Kräften in Gesellschaft und Politik. Was kratzte das kaiserliche Heer, was ein Unternehmerverband oder etwa die Sozis zu sagen hatten? Heute ist das anders, und Schleicher verkörpert die moderne Wehrpolitik wie kein anderer. Manche nennen ihn einen Bürogeneral und meinen das abschätzig. Aber die heutigen Kriege, die politischen und militärischen, werden im Büro entschieden. Wenn Deutschland wieder auf die Füße kommen will, dann nur mit langem Atem. Die Engländer, die Polen und zuallererst die Franzosen wissen, es wird nicht so bleiben, wie es ist. Und wir wissen es auch. Erst haben wir die Ententeschnüffler rausgeschmissen, die Reparationen sind wir so gut wie los, und die Abrüstungskonferenz war von vornherein eine Totgeburt. Die anderen rüsten nicht ab, also müssen wir aufrüsten. Alle haben vorher gewusst, dass das in Genf nichts wird. Die Franzosen wissen, wir sind mit ihnen noch nicht fertig. Deshalb blockieren sie die Abrüstung und liefern uns so einen Haufen Argumente für die Aufrüstung. Da kann man nur danke sagen. Die Engländer schütteln den Kopf über die Verrückten in Paris.«
    Ein junges Paar betrat das Café, er stellte den Regenschirm in das Holzfass an der Garderobe. Sie erinnerte mich an Sofia. Ich wurde unruhig.
    »Das muss man dem Brüning lassen, er hat die Alliierten an die Wand gespielt«, sagte Rübezahl. »Bald haben wir freie Hand. Unsere polnischen Freunde freuen sich bestimmt schon, sie werden alles wieder rausrücken müssen, was sie uns gestohlen haben. Und die Russen haben mit ihnen auch noch ein Hühnchen zu rupfen. Es kommt der Tag, da schaut der Herr Pilsudski blöd aus der Wäsche, Hochmut kommt vor dem Fall.«
    Es war so eine Art gehobener Stammtisch, ich wollte es nicht mehr hören. Wo man auf Leute traf, sie ergingen sich in rachedurstigen Visionen. Sie schoben den Engländer, den Franzosen, den Russen auf dem Tisch herum wie auf einem Schachbrett. Ich stand auf und sagte: »Ich muss los.«
    Rübezahl zog eine Visitenkarte aus der Innentasche seiner Uniformjacke. »Ruf mich mal an«, sagte er. »Nicht nur, wenn du Hilfe brauchst.«
    »Hast du von Walter gehört?«
    »Walter Berg?«
    »Ja, der immer freiwillig mit auf Stoßtrupp gekommen ist.«
    »Der soll bei den Rotfrontkämpfern sein«, sagte Kurt. »Ist Kommunist geworden. Ich hab mal einen alten Kameraden getroffen, der mir das erzählt hat. Hätte ich nie geglaubt.«
    An der Ecke Friedrichstraße/Unter den Linden nahm ich ein Taxi und ließ mich nach Hause fahren. Der Fahrer versuchte mich in ein Gespräch zu verwickeln über das Wetter, den Fußballmeister Bayern München und die Arbeitslosigkeit. Als ich nur schwieg, gab er endlich auf.
    *
    Ich war außer Atem, als ich meine Wohnungstür aufschloss. Ich hörte es in der Küche klappern. Ich hatte geahnt, sie würde zurückkommen, und überlegte einen Augenblick, ob ich mich darüber freuen sollte. Erika räumte auf. Es war nötig, und doch störte mich, dass Erika meine Wohnung besitzen wollte. Als sie mich sah, lief sie mir entgegen und breitete die Arme aus. Ich entzog mich der Umarmung und setzte mich auf einen Küchenstuhl. »Ich muss jetzt endlich schlafen«, sagte ich.
    »Ich habe dich nicht daran gehindert.«
    »Ich will nur noch ein Glas Wasser trinken«, sagte ich und stand auf, um mir eins zu holen.
    Sie war schneller. Ich nahm das Glas und ging ins Schlafzimmer. Ich stellte das Glas

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