Der Consul
Täterkreis noch weiter ziehen.«
»Man kann es auch übertreiben, Herr Kommissar. Wenn ich richtig verstanden habe, haben die beiden Beschuldigten gelogen, dass sich die Balken bogen. Das stimmt doch, oder?«
»Ja. Aber Lügen beweisen nichts, außer dass gelogen wurde.«
Papen guckte mich an, als wäre ich nicht bei Verstand. »Aber das Motiv ist doch unzweifelhaft. Niemand hat Hitler mehr gehasst als die Kommune.«
»Das Motiv ersetzt nicht den Beweis«, erwiderte ich.
Papen schüttelte den Kopf. »Und Röhm, wer hat den auf dem Gewissen? Und warum?«
»Von Röhm wissen wir, dass er der oberste Militärführer des Reichs werden wollte, gestützt auf seine SA. Vielleicht hat er einen Putsch geplant, nachdem Hitler tot war?« sagte Schleicher. »Er wollte die Reichswehr übernehmen.« Er war empört.
»Dann wären ja Sie und Ihre Kameraden die Hauptverdächtigen.«
Papen lachte gequetscht.
»Wir haben Röhm nicht auf dem Gewissen«, sagte Schleicher, »auch wenn man mich auf seiner Beerdigung vermissen wird.« Er schaute mir ernst in die Augen. »Sagen Sie, das stimmt, was der Herr Polizeipräsident berichtet hat, Röhm wurde das Geschlecht abgeschnitten?«
Ich nickte.
»Grässlich, wer macht so was? Die Kommunisten? Eher nicht. Vielleicht ein Machtkampf in der SA. Wegen Röhms bekannten Vorlieben? Vielleicht will die Kommune aber so nur die Spuren verwischen.«
»Das ist möglich«, sagte Melcher. Er klang wieder beherrscht.
»Ich fände es sinnvoll, wir würden Anklage gegen die beiden Kommunisten erheben, vor dem Reichsgericht, wegen Mord und Hochverrat. Das wäre das richtige Signal«, sagte Papen.
Ich erschrak. Schleicher runzelte die Stirn, Melcher nickte, er verdankte Papen seine Stelle und schien sich revanchieren zu wollen.
»Wenn wir die beiden in Leipzig anklagen, wird es einen riesigen Presserummel geben. Und diejenigen in der NSDAP und der SA, die von einem Bündnis mit den Kommunisten faseln, werden sich zweimal überlegen, ob sie mit den Mördern ihres Führers zusammengehen wollen.«
»Und wenn sie freigesprochen werden?« fragte Schleicher. Er schaute mich an aus klugen, lebhaften Augen. Dann wandte er seinen Blick Papen zu. »Stellen Sie sich das mal vor. Die Justiz macht einen großen Aufmarsch und landet in der Jauche.
Was ist dann?«
Papen fixierte ihn böse. »Ich kenne Ihre Bestrebungen, Herr von Schleicher. Sie wollen ein Komplott mit Strasser, den Gewerkschaften und Teilen der SA. Und dann wollen Sie mich abservieren. Da passt es Ihnen nicht, wenn Hitlers Mörder von links kommen.«
»Da passt es mir nicht, wenn wir die Kommune ins Recht setzen«, sagte Schleicher im Plauderton, als nähme er Papen nicht ernst. »Es könnte uns nichts Schlimmeres passieren. Aber wenn die beiden Beschuldigten es getan haben, wenn wir es sauber beweisen können, treffen wir die Kommune ins Mark. Und das will ich nicht weniger als Sie.«
Papen schüttelte den Kopf. »Wir können der Justiz doch ein wenig helfen. Ich werde darüber mit dem Herrn Reichspräsidenten sprechen. Seinen Sohn habe ich schon gewonnen für diese Variante.«
»Und wie soll die aussehen?«
»Notverordnung, abgekürztes Verfahren.«
»Das wird zum Triumph für Thälmann. Herzlichen Glückwunsch«, sagte Schleicher. Ich spürte seine Verachtung für Papen. »Das wäre genauso schlecht wie ein Freispruch. So drängen Sie die Sozis an die Seite der Kommune. Erinnern Sie sich noch an 1920?«
»Kapp«, sagte Papen, »das war doch ein Möchtegernputschist. Lächerlich.«
Jetzt merkte ich, was Schleicher an Papen abstieß, der Kanzler war arrogant und ignorant zugleich, eine gefährliche Mischung. Und vielleicht ärgerte sich der General, dass er Papen gestützt hatte. Damit schien es vorbei zu sein.
An der Tür des Salons klopfte es. Sie öffnete sich, der Diener wartete, bis ihm Papen durch ein Nicken das Wort erteilte. »Ein Kurier«, sagte er. Dann ging er zu Papen und übergab ihm ein Kuvert. Der Diener trat ab, Papen öffnete den Umschlag. Er zog ein Blatt Papier heraus und faltete es auf. Die Rückseite war nicht beschriftet. Papen überflog das Schreiben, dann faltete er es zusammen und steckte es zurück in den Umschlag. »Aha«, sagte er.
Schleicher schaute ihn streng an.
»Strasser will über eine neue Form der Zusammenarbeit reden. Spricht von einer Reichstagsmehrheit. Ich hatte es erwartet.« Es klang, als beschriebe Papen einen Haufen Hundekot in seinem Wohnzimmer.
»Gut, was machen wir nun mit den
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