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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Fällen Hitler und Röhm?«
    Schleicher straffte seinen Rücken. »Der Herr Kommissar ermittelt weiter in beiden Fällen, und beide übernimmt der Oberreichsanwalt. Der Fall wird vor den Staatsgerichtshof gebracht, das muss man nicht weiter begründen. Wir sollten davon ausgehen, dass sie zusammengehören. Jemand will die Führung der stärksten Partei im Reich ausschalten, das sollte als Arbeitshypothese reichen. Es ist so, als wäre das Republikschutzgesetz dereinst für diese Sache verabschiedet worden.«
    »Und damit wären die Herren in Erfurt aus dem Rennen«, warf Papen ein.
    »Ja, Herr Reichskanzler. Und mit ihnen die Vorstellung, die Nazis klärten den Mord an ihrem Führer selbst auf. Sogar wenn die den Mörder zweifelsfrei überführten, würde es ihnen kaum einer glauben.«
    »Na, meinetwegen, Herr Minister. Wenn Sie meinen.«
    Schleicher nickte kurz, dann erhob er sich und reichte mir die Hand. Ich stand auf und verabschiedete mich. Schleicher hatte einen weichen Händedruck, aber in seinen Augen las ich Entschlossenheit. »Melden Sie sich gelegentlich bei der Oberreichsanwaltschaft in Leipzig. Sie wird den Fall nun an sich ziehen, und Sie werden ihr berichten.«
    Ich war unsicher, an wen ich mich wenden sollte. Ich sah abwechselnd Papen und Schleicher an. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn die beiden Beschuldigten von Erfurt bald nach Leipzig verlegt werden könnten, Herr Reichskanzler und Herr Minister.«
    »Natürlich«, sagte Schleicher, »sie fallen ja jetzt in die Zuständigkeit des Staatsgerichtshofs.«
    Ich fühlte Erleichterung, als ich die Tür hinter mir schloss. Immerhin, in Leipzig war Sofia Schmoll sicherer als in Erfurt.
    *
    Rickmer und Rübezahl folgten mir. Wir sagten nichts, bis wir auf der Straße waren. Als führte uns eine unsichtbare Hand, gingen wir Richtung Brandenburger Tor. Dann sagte Rübezahl: »Mensch, Soetting. Ich ahnte nicht, dass du in Berlin arbeitest.«
    Ich weiß nicht, ob es Rübezahl erging wie mir. Ich floh vor meinen Kriegserinnerungen. Je weiter sie zurücklagen, um so lauter meldete sich die Angst. Sie weckte mich immer wieder. Kurz nach dem Krieg bedrückte mich die Enttäuschung, es war umsonst gewesen. Wir hatten mehr als vier Jahre gekämpft, Todesangst gehabt, Kameraden verloren, Menschenfetzen gesehen und die schrecklichen Schreie gehört, die einen stärker erschütterten als das Trommelfeuer. Wie oft dachte ich an Kameraden, die in Löchern im Niemandsland verreckten und sich die Seele aus dem Leib schrien, während sie sich ihr Gedärm in den Bauch pressten oder versuchten Stümpfe abzubinden. Wir konnten sie frühestens in der Nacht holen und dann fast immer tot. Wenn sie nicht mehr schreien konnten, wimmerten sie, wurden leiser, bis man nichts mehr hörte. Als ich aus dem Krieg kam, fühlte ich nichts mehr in mir, als hätte ich alle Energie in den Gräben gelassen. Einige Zeit später begann ich
    Stolz zu empfinden über meine Kämpfe mit dem Feind und über die Auszeichnungen, die ich dafür erhalten hatte. Aber der Stolz verflog mit der Demütigung 1923, Ruhrbesetzung und Inflation. Da verlor nicht nur das Geld jeden Wert, sondern auch mein Selbstbewusstsein. Erst dann rissen alle Barrieren in mir ein, verstand ich vollends, dass der Krieg verloren war und mit ihm die Welt, in der ich gelebt hatte. Das Deutschland nach dem Krieg verkörperte nichts als die Niederlage. Und solange es dieses Deutschland gab, würde es die Niederlage darstellen. Die große Krise, die Nazis und Hitler, die Reichswehr, der Reichstag, die Arbeitslosen, die Morde auf den Straßen, der Verschwendungsrausch der Reichen und der Hunger der Armen: darin zeigte sich die Niederlage schmerzhafter als in den Reparationen oder den Streitereien über die Kriegsschuld. Als ich das verstanden hatte, blieb mir vom Krieg nur die Angst. Ich wollte nichts sehen, was mich an den Krieg erinnerte. Keine Bücher, keine Filme und schon gar keinen Kameraden.
    »Er war Stoßtruppführer«, sagte Rübezahl zu Rickmer, als ich nicht antwortete. »Und ich bin ihm hinterhergelaufen.«
    »Damit er Ihnen Deckung vor feindlichen Kugeln gibt«, sagte Rickmer lachend.
    »So ungefähr«, erwiderte Rübezahl.
    »Ich dachte, du wärst bei einer Zeitung, Rübezahl«, warf ich ein, um das Gespräch in eine andere Richtung zu drängen.
    »Komm, wir setzen uns einen Augenblick ins Café Bauer«, sagte er.
    »Das heißt längst Café Unter den Linden«, sagte ich.
    Im Sommer saß ich manchmal vor dem Café und

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