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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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zugeschlagen haben. Dafür spräche der Mangel an Spuren. So was ist ja auch ein Muster, allerdings ein schlechteres als typische Spuren in allen Fällen. Immerhin, in den beiden hiesigen Fällen ist Öl im Spiel«, murmelte ich.
    »Es könnte aber auch bedeuten, dass unterschiedliche Täter im Auftrag gemordet haben.«
    »Daran habe ich auch schon gedacht. Es wäre eine Verschwörung. Aber wer käme dafür in Frage? Die Kommunisten? Das führt uns wieder zu Leutbolds und Schmolls Lügen. Vielleicht sollten sie Hitler nur für den oder die Mörder ausspähen, herausfinden, wann der günstige Augenblick für die Tat war? Vielleicht wurden die beiden nicht einmal darüber informiert, welchem Zweck ihre Schnüffelei diente? Vielleicht sollten sie auch nur Hitler ermorden, während andere auf Röhm und Goebbels angesetzt wurden. Und vielleicht ist alles ganz anders. Heutzutage ist es nicht ungewöhnlich, dass Leute umgebracht werden. Was mich verblüfft, ist die Kürze der zeitlichen Abstände zwischen den Morden.«
    »Ja«, sagte Wohlfeld.
    »Versuchen Sie in den nächsten Tagen zu ermitteln, wo Goebbels zuletzt war.«
    »Ja.«
    »Wer hat uns den Leichenfund gemeldet?«
    »Goebbels’ Frau.«
    »Wo ist sie?«
    »Oben, im Schlafzimmer, glaube ich. Dr. Münting ist bei ihr.«
    Ich fand sie im Schlafzimmer im ersten Stock. Dr. Münting wollte gerade gehen. Als er mich sah, sagte er: »Ich habe ihr eine Beruhigungsspritze gegeben, Sie müssen sich also beeilen. Aber fragen Sie nicht zu viel.«
    Magda Goebbels war blond und bildschön. Das sah man trotz ihres Zustands. Die Schminke war verwischt, Tränen quollen ihr aus den Augen. Sie saß zusammengekrümmt auf der Bettkante. Ich murmelte mein Beileid, aber sie bewegte sich nicht. Ich kniete nieder vor ihr, um in ihr Gesicht zu sehen. Ihre Augen drehten sich zu mir.
    »Ich bin Kriminalkommissar Soetting von der Berliner Polizei. Tut mir leid, ich muss Ihnen zwei, drei Fragen stellen.«
    Sie nickte fast unmerklich.
    »Wann haben Sie ihn gefunden?«
    »Vorhin, ich kam vom Einkaufen zurück.« Sie schluchzte, ich verstand sie schlecht.
    »Wissen Sie die Uhrzeit? Das ist wichtig für uns.« »Vielleicht halb zwölf.«
    »Und wann haben Sie das Haus verlassen?«
    »Um kurz nach neun.«
    »War außer Ihnen und Ihrem Gatten jemand im Haus?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das Mädchen musste etwas für meinen Mann besorgen. Er hat es früh geschickt. Sie ist noch nicht zurück.«
    »Eine letzte Frage: Ist Ihnen irgend jemand oder irgend etwas aufgefallen im Haus oder auf der Straße? Personen, ein parkendes Auto, es mag Ihnen noch so unbedeutend erscheinen?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Ich verabschiedete mich und ging. Als ich die Tür schloss, warf ich ihr noch einen Blick zu. Sie hatte sich nicht bewegt.
    Wohlfeld fuhr mich zurück zum Alexanderplatz.
    *
    Mindestens eine Kompanie Reichswehr sicherte das Polizeipräsidium ab. Vor dem Haupteingang stand ein Doppelposten mit Stahlhelm und geschultertem Karabiner. Sie verlangten unsere Dienstausweise, meinen fand ich nach einigem Suchen in der Tuchtasche meines Jacketts. Im Büro lag eine Notiz von Wegner auf dem Schreibtisch, dass die Leichenattrappe fertig sei.
    Ich setzte mich hinter meinen Schreibtisch, Wohlfeld davor. »Wir tun einfach so, als gäbe es keinen Bürgerkrieg, und machen weiter. Sie übernehmen die Versuche mit der Leichenattrappe, dazu teile ich Ihnen auch Wegner zu. Nehmen Sie ein paar weitere Kollegen mit, dann geht es schneller. Ich fahre Montag früh mit dem Horch nach Leipzig und spreche mit dem Oberreichsanwalt Dr. Voß und den beiden Beschuldigten.« Ich zündete mir eine Zigarette an, Wohlfeld nahm sich auch eine, als ich ihm die Packung hinhielt. »Und jetzt mache ich mich schlau über diesen M-Apparat, von dem Grüntner gesprochen hat.«
    »Sie wollen allein nach Leipzig?« fragte Wohlfeld.
    »Wir haben nicht mehr viel Zeit, die Fälle aufzuklären. Also müssen wir uns beeilen.«
    Wohlfeld blickte mich verständnislos an.
    Ich verstand es selbst nicht, es war nur eine Ahnung. Nur hatte ich gelernt, wie nützlich es war, auf Ahnungen zu hören.
    Ich drückte die Zigarette aus und verließ den Raum. Der Staatsschutz saß im zweiten Stock. Ich kannte seinen Leiter flüchtig von Gesprächen in der Kantine. Kriminalkommissar Bernhard Wolkenhauer war ein kleiner Mann mit einem humorlosen Gesicht. Auf der kleinen Nase saß eine mächtige runde Hornbrille. Die linke Wange verunzierte eine tiefe rote Narbe, ich

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